Bottrop. Schon lange wohnt im Forsthaus kein Förster mehr. Dafür serviert Familie Lenko Bodenständiges modern interpretiert - auch beim „Tetraeder“-Menü.

Forsthaus Specht gehört zu den fünf Bottroper Traditionsgasthäusern, die sich für „Kulinarischen Tetraeder“ zusammengeschlossen haben - auf Zeit zumindest. Und das alte Fachwerkhaus, das immerhin seit mehr als einem Jahrhundert für eine gute Einkehr nicht nur bei Bottroper Familien bekannt ist, hat tatsächlich auch Zeitgeschichte auf dem Buckel. Erinnert sei hier nur an offizielle Festessen, die dort anlässlich der Stadterhebung oder der Großstadtwerdung stattfanden. Frühe Fotos aus den 20er Jahren zeigen einmal die idyllisch-ländliche Umgebung mit Heugarben vor dem Haus, einem weit in die Wiese hineinreichenden Kaffeegarten, aber auch die damals hochmoderne sachliche Inneneinrichtung.

Von außen westfälische Idylle mit Klinker und bunten Fensterläden. Innen changiert es im Forsthaus Specht zwischen modern-sachlich und rustikal.
Von außen westfälische Idylle mit Klinker und bunten Fensterläden. Innen changiert es im Forsthaus Specht zwischen modern-sachlich und rustikal. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Neben lokaler ist immer auch schon überregionale Prominenz an der Kreuzung Kirchhellener-/ Oberhausener Straße abgestiegen. Auch Willy Brand lässt sich dort mit Genossen und Stadtoberen 1967 Bottroper Bier, das damals noch von der alten Westfalia Brauerei am Trappenkamp kommt, schmecken.

Seit 1994 in Familienbesitz

Seit gut einem Vierteljahrhundert führt Familie Lenko Regie im Forsthaus, das im Laufe von 100 Jahren immer wieder erweitert wurde und heute Platz für bis zu 300 Personen hat. „Wenn nicht gerade Coronazeit ist“, sagt Christoph Lenko. Mit seiner Frau Claudia hat er das Geschäft 2016 von seinen Eltern übernommen. Quereinsteiger sind sie beide nicht. Hotelkaufmann und Hotelfachfrau: Das passt. „Und der Weg war ja durch den elterlichen Betrieb ja schon etwas vorgezeichnet“, so Christoph Lenko. Auch das Haus mit Terrasse und dem ausgedehnten Garten gehört der Familie. „Mein Vater hat das Anwesen 1994 von Theo Droll, einem bekannten Getränkelieferanten und Kneipier, gekauft.“ Vielleicht erleichtert das auch manches in der Zwangsschließung wegen Corona. Auch im Forsthaus herrschte Kurzarbeit. Die Umsätze sind eingebrochen, vor allem, da, wie bei vielen anderen Kollegen auch, die Feiern und Veranstaltungen ausfallen mussten. „Der a la Carte-Betrieb, den die meisten Gäste hier erleben, ist ja immer nur ein Teil des gesamten Geschäftes“, so Lenko.

Luftbild von 1926: Das Forsthaus in ländlicher Idylle. Der große Kaffeegarten hinter dem Haus zeiht sich weit in die Wiese. Rechts die Kirchhellener- links die heutige Oberhausener Straße.
Luftbild von 1926: Das Forsthaus in ländlicher Idylle. Der große Kaffeegarten hinter dem Haus zeiht sich weit in die Wiese. Rechts die Kirchhellener- links die heutige Oberhausener Straße. © Lenko

Aber die Speisekarte, etwas entschlackt und behutsam modernisiert, bleibt nach wie vor das Rückgrat des Hauses. Auch die am Tisch flambierten Speisen finden sich nach wie vor. Vater Klaus Lenko war ausgebildeter Serviermeister. „Da gehörte das Tranchieren und Flambieren zum Repertoire, das er bis zuletzt gepflegt hat und wir setzten diese schöne, wenn auch aufwändige Tradition fort.“ Umgebaut wurde nicht nur die Weinkarte, sondern auch die Präsentation der Kreszenzen. Bevor es vom Eingang an der Straßenseite links Richtung Bar geht, können sich Gäste direkt über die Auswahl informieren. Manchmal hilft’s, auch wenn Bier - so der Gastgeber - immer noch etwas besser läuft.

Küchenchef seit 25 Jahren

Das passt natürlich auch zum „Tetraeder“-Menü. Aber wer sich die kulinarische Wanderung des Forsthaus-Küchenteams von Meer über Wald und Weide bis zum abschließenden sommerlichen Beerenkorb auf der Zunge zergehen lässt (siehe unten), kommt am begleitenden Obst in seiner wohl kultiviertesten flüssigen Form schwerlich vorbei.

Innenaufnahme des neu gestalteten Forsthaus Specht von 1929. Diese erhöhte Fensternische mit Blick in den Garten gibt es heute noch im großen Saal. Nur die Ausstattung ist anders.
Innenaufnahme des neu gestalteten Forsthaus Specht von 1929. Diese erhöhte Fensternische mit Blick in den Garten gibt es heute noch im großen Saal. Nur die Ausstattung ist anders. © Stadtarchiv | Georg Lücker

Als die Aktion vor einigen Wochen erstmals in der Presse erwähnt wird, kommen bereits die ersten Anfragen. „Und die positive Resonanz auf dieses echte Bottroper Eigenformat“, sagt Christoph Lenko. Mit dem vierköpfigen Köche-Team um Andreas Bohnenkamp („Der kocht schon seit 25 Jahren bei uns im Forsthaus“) hat man sich sogleich an die Planung der Gänge gemacht.

Convenience ist tabu

Frisch und hausgemacht ist immer (noch) Trumpf. „Deshalb schmeckt auch unsere traditionelle westfälische Kartoffelsuppe nie genau gleich, das wäre nur mit Convenience-Produkten zu schaffen.“ Auch ein Grund wieder einmal ins Forsthaus zu gehen - nicht nur ab Ende August zum „Kulinarischen Tetraeder“.

Das „Tetraeder“-Menü im Forsthaus Specht

Entree: Paprika, Fenchel & Meer - Jakobsmuscheln, Orangen-Chili Sauce, frittierter Fenchel, Schaum von geräucherter Paprika.

Hauptgang: Pilze, Wald & Weide - Medaillons vom Hirschrücken, Pfifferlinge mit Speck und Rahm, Semmelknödel

Dessert: Bunter Beerenkorb - Waldbeerensülze auf Vanillesoße, Holunderblüten-Sorbet, Blaubeeren-Sahneeis, Mandelkaramell.

Einzelpreis: 38 Euro. Oder im „Dreierpack“ mit dem Menü von zwei der anderen fünf „Tetraeder“-Lokale nach Wahl: 99 Euro. Der Vorverkauf hat in allen teilnehmenden Lokalen begonnen (Ruhetage beachten).