Bottrop. Eine Bewohnerin erzählt vom Alltag in Zeiten von Isolation und Besuchsverbot. Derweil stellt eine neue Verordnung die Heimbetreiber vor Probleme.

In sämtlichen Altenheimen in der Stadt gilt nach wie vor das Besuchsverbot. Gleichzeitig kommen die Bewohner aber kaum noch vor die Tür, können in den meisten Fällen gerade einmal die Gärten der Häuser nutzen. Der Grund ist klar: In den Heimen und Pflegeeinrichtungen wohnen die Risikopatienten, die man vor dem Coronavirus schützen will. Doch wie lebt es sich angesichts dessen im Altenheim?

Die 84-jährige Ruth Fiolka lebt im Christophorus-Haus in Bottrop. Dort engagiert sie sich im Heimbeirat. Der WAZ erzählt sie vom Alltag im Seniorenheim in Zeiten von Corona. In der Hand hält sie eines der neuen Smartphones, das die Telekom dem Heim zur Verfügung gestellt hat, um Videotelefonate zu ermöglichen. 
Die 84-jährige Ruth Fiolka lebt im Christophorus-Haus in Bottrop. Dort engagiert sie sich im Heimbeirat. Der WAZ erzählt sie vom Alltag im Seniorenheim in Zeiten von Corona. In der Hand hält sie eines der neuen Smartphones, das die Telekom dem Heim zur Verfügung gestellt hat, um Videotelefonate zu ermöglichen.  © Gesundheitsdienste Reckmann

„Ich empfinde den Alltag hier gar nicht so schlecht“, sagt Ruth Fiolka. Die 84-Jährige lebt im Christophorus-Haus im Fuhlenbrock und engagiert sich dort auch im Bewohnerbeirat. „Ich fühle mich hier wohl. Es wird auch für viel Unterhaltung und und Abwechslung gesorgt“, lobt sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hause. So stand am Donnerstagnachmittag beispielsweise für eine Gruppe Bingo auf dem Programm, auch werde regelmäßig gekegelt. „Und zu Ostern gab es eine schöne Kaffeetafel für alle Bewohner.“ Aber auch hier galten die Regeln des Infektionsschutzes.

Bottroperin telefoniert täglich mit ihrer Tochter

Tatsächlich kommen im verhältnismäßig kleinen Christophorus-Haus noch immer alle Bewohner zusammen. Das sei möglich, weil man hier schon verhältnismäßig früh ein striktes Besuchsverbot erlassen habe, sagt Geschäftsführerin Alice Reckmann. Es gebe aber auch andere Häuser, da durften die Bewohner noch länger Besuch empfangen, da fiele nun auch das Gemeinschaftsprogramm weg und das Leben spiele sich vornehmlich auf den Zimmern der Bewohner ab.

Selbstverständlich vermisst auch Ruth Fiolka den Besuch. „Aber ich telefoniere täglich mit meiner Tochter.“ Außerdem habe sie ihr auch schon Kleinigkeiten zukommen lassen, das funktioniere ja auch in der Corona-Krise noch. „Ich empfinde es also nicht als grundsätzlich schlecht“, so ihr Urteil. Und aus den Rückmeldungen der anderen Bewohner weiß sie, dass die es ähnlich sehen wie sie und sich mit den Einschränkungen arrangiert haben. „Die meisten finden es gut, so wie es ist.“

Telekom stellt Altenheimen Telefone für Videotelefonie zur Verfügung

„Wir versuchen ja auch vieles, um den Kontakt zu den Familien zu halten, etwa durch Briefe und künftig auch durch Videotelefonate“, erklärt Alice Reckmann. Die Telekom habe ein entsprechendes Gerät zur Verfügung gestellt. Einige Bewohner bekämen auch Besuch auf etwas andere Art. „Die verabreden sich dann mit ihrer Familie zu einer bestimmten Zeit. Dann sind sie auf dem Balkon und die Angehörigen unten auf der Straße, so kann der Sicherheitsabstand ja eingehalten werden und der Infektionsschutz bleibt gewahrt.“

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Dazu komme auch der Garten, in dem man sich derzeit sehr gut aufhalten könne, ergänzt Ruth Fiolka. Doch worauf freut sie sich besonders, wenn die Einschränkungen gelockert werden? „Ich bin froh, wenn der Friseur wieder öffnet.“

Altenheime müssen Quarantäne- und Isolationsbereiche vorhalten laut Anordnung

Doch derweil hat das Land NRW die Auflagen für Heimbetreiber noch einmal verschärft. Sie müssen nun neben dem normalen Wohnbereichen auch einen Isolations- sowie einen Quarantänebereich vorhalten. Dort sollen erkrankte Bewohner, aber auch Neuaufnahmen und Rückkehrer aus Krankenhäusern zunächst untergebracht werden. Das Problem: Dafür sind die Häuser gar nicht ausgelegt, die Zimmer sind in der Regel alle belegt, wo also sollen nun die zusätzlichen Bereiche Platz finden?

Zumal das Land auch keine Angaben zu den Größen macht, sondern in seinen „Auslegungshinweisen“, die das NRW-Gesundheitsministerium den Betreibern zur Verfügung gestellt hat, lediglich die Rede ist von „einer für die Bewohnerzahl angemessenen Größe“. weiter heißt es da . „Bei einer Neu- oder Wiederaufnahme ist der Bewohner für 14 Tage innerhalb des Quarantänebereichs von allen anderen Bewohnern – auch innerhalb dieses Bereichs – getrennt unterzubringen, zu pflegen, zu betreuen und zu versorgen.“ Und infizierte Bewohner müssten selbstverständlich isoliert werden.

Personal fällt dann für andere Bereiche aus

Die Intention dahinter ist klar: Es sollen Krankenhauskapazitäten frei gehalten werden für möglich Coronapatienten. Die Heime müssen selbst infizierte Personen aufnehmen - so eine Behandlung im Krankenhaus nicht nötig ist. Doch wälze man damit ein Problem auf die Heimbetreiber ab, ärgert sich Alice Reckmann. „Denn wir tun ja eigentlich alles, das Virus hier nicht eindringen zu lassen.“ Was bisher auch gelungen sei.

In einem Haus wie Christophorus mit 60 Betten sei das ein echtes Problem. Hinzu komme, dass Personal, das im Quarantäne- und Isolationsbereich arbeite, dann für andere Bereich ausfalle.

Caritas kritisiert die Vorgaben als „praxisfremd“

Auch bei der Caritas, die mehrere, auch große Häuer in Bottrop betreibt, hat man Probleme mit der Verschärfung der Landesverordnung. Auch in großen Häusern sei der dafür nötige Raum gar nicht da, sagt Alexander Hohler, Bereichsleiter Pflege beim Caritasverband.

Alexander Hohler,Fachbereichsleiter Pflege bei der Caritas.
Alexander Hohler,Fachbereichsleiter Pflege bei der Caritas. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Dass das Land dann empfiehlt, auf Gemeinschafts- oder Büroräume zurückzugreifen, hält er für praxisfern. „In diesen Räumen gibt es ja überhaupt keine pflegerische Infrastruktur“, sagt Hohler. Es gebe keinen Notruf und auch keine Sanitärbereiche an den Zimmern.

Einige Bewohner müssten ihre Zimmer verlassen und bei anderen Bewohnern unterkommen

Für die Bewohner bedeutet die Einrichtung dieser zusätzliche Bereiche dann auch Unruhe. „Einige von ihnen müssten umziehen, ihre Zimmer und die gewohnte Umgebung verlassen“, malt Hohler die Konsequenzen aus. Das empfiehlt die Landesregierung sogar: „Alternativ müssen zusammenliegende Einzelzimmer freigezogen werden und diese Bewohnerinnen und Bewohner ggf. mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern in zu Doppelzimmern umfunktionierten Einzelzimmernuntergebracht werden.“ Das hält Hohler für nicht praktikabel und „fern der Praxis.“

Zumal auch Hohler das Personalproblem sieht. Für die zwei zusätzlichen Bereiche benötige man Mitarbeiter, die halte man nicht vor und die seien derzeit auf dem Markt auch nicht zu kriegen, so der Bereichsleiter, der außerdem auf die zusätzlich nötigen Nachtdienste hinweist.

Altenmheimbetreiber begrüßen Ausweitung der Corona-Tests

Hohler wie auch Alice Reckmann stellen klar, dass die Landesverordnung auch sinnvolle Maßnahmen umfasst. So etwa die Vorgabe zusätzlicher und schneller Tests. „Bewohner, die aus dem Krankenhaus entlassen werden sollen mit Priorität getestet werden, gleiches gilt auch für Neuaufnahmen, das begrüßen wir“, sagt Hohler.

Wie aber die Vorgabe zu den Quarantäne- und Isolationsbereichen umgesetzt werden soll, das ist ihm bisher nicht klar. Zum Glück habe man in den Caritas-Häusern noch keinen Corona-Fall und man versuche nun, die Vorgaben irgendwie umzusetzen.

Verbände besprechen Vorgaben mit dem Ministerium

Gleichzeitig aber seien die entsprechenden Verbände im Gespräch mit dem Ministerium. Die derzeitige Regelung gelte bis zum 19. April, Hohler rechnet fest mit einer Verlängerung. „Ich hoffe, dass mit dieser Verlängerung dann auch eine Anpassung erfolgt, gerade was Quarantäne und Isolation betrifft.“

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