Bottrop. Am 30. März 1945 verlassen die letzten deutschen Soldaten die Stadt. Die Amerikaner übergeben am 9. April den Briten die Militärverwaltung.
Ende März und im April 1945 ist für Bottrop der zweite Weltkrieg schon vorbei. Allerdings zeigt sich oft genug auch vor der offiziellen Kapitulation am 8. Mai noch der brutale Fanatismus der im Grunde bereits untergegangenen NS-Herrschaft. Mit dem Vorrücken der Alliierten werden immer noch Deutsche von Deutsche standrechtlich erschossen oder gehängt nach Schnellprozessen, die diesen Namen nicht verdienen.
Karfreitag 1945 verlassen die letzten deutschen Soldaten Bottrop
Als am 30. März, einem Karfreitag, morgens um 4 Uhr die letzten deutschen Soldaten Bottrop verlassen und amerikanische Truppen vom Niederrhein kommend die Stadt übernehmen, endet auch diese Angst der Bevölkerung, die von Jahren der Bombenangriffe, toten Zivilisten und noch unzähliger gefallener Soldaten aus dem Familien- und Freundeskreis zermürbt ist. Das Ausharren in Kellern und Bunkern, der ständige Artilleriebeschuss der letzten Tage ist vorüber.
Die amerikanische Militärverwaltung richtet sich zunächst im Rathaus ein. Etwa eine Woche später löst eine britische Besatzungstruppe die Amerikaner ab. Die offizielle Übergabe an die Briten erfolgt am 9. April 1945. Zwei Bilder gibt es davon noch im Bottroper Stadtarchiv. Erst ganz allmählich kommt das Leben wieder in Gang. Man versucht so gut es geht, wieder zu so etwas wie Normalität inmitten des Chaos zurückzukehren.
Übersetzerin hütet britisches Kriegstagebuch
Es gilt zunächst, die Infrastruktur wieder in Gang zu bringen, für Wasser, Elektrizität, Heizung und Lebensmittel zu sorgen und die zerstörten Verkehrswege wieder benutzbar zu machen. Die britische Militärregierung führt ein Tagebuch, in dem die Offiziere täglich Berichte über die Geschehnisse am Ort notieren. Es umfasst die Zeit vom 7. April 1945 bis zum 22. Januar 1946 mit einem nicht genau datierten Nachtrag aus dem Frühjahr 1946, also die unmittelbare Nachkriegszeit.
Das Original befindet sich im Bottroper Stadtarchiv und stellt für die Stadtgeschichte eine äußerst wertvolle Quelle dar, gibt es doch aus erster Hand Auskunft über die Situation vor Ort und die dringendsten Probleme, die es zu lösen galt. Die damalige Übersetzerin der Militärregierung, Klara Ruedel, hat das Tagebuch 1966 dem Stadtarchiv übergeben. Es vermittelt eine Ahnung davon, wie es zu dieser Zeit in Bottrop aussieht.
Am ersten Tag gab Major Faulks einen Überblick über die Lage in der Stadt und berichtet unter anderem: „Der Oberbürgermeister und alle Nazibeamten sind geflohen. Es gibt keine Polizei. Außer dem Leiter der Feuerwehr gibt es keine Feuerwehrleute oder Zivilschutz. Von den rund 83.000 Einwohnern sind etwa 60.000 zurückgeblieben. Sperrstunde ist von 18 Uhr bis 7 Uhr. Herr Reckmann, ein alter Verwaltungsbeamter und kein Parteimitglied, wird als geschäftsführender Bürgermeister eingesetzt.
Verschleppte Menschen bleiben in Lagern
Das Hauptproblem bilden die verschleppten Menschen (Displaced Persons), für die vier Lager beschlagnahmt werden, dazu gibt es ein nicht beschlagnahmtes Lager, in dem Russen, Franzosen, Belgier und Holländer Unterkunft haben, die dort unter unhygienischen Bedingungen leben“, so beschreibt es das Tagebuch. Die Menschen, die zumeist als Zwangsarbeiter eingesetzt gewesen waren, verbleiben zunächst in den Lagern und werden dann nach und nach entlassen. Immer wieder ist später zu lesen, dass sich einige von ihnen zu Banden zusammenrotten, die plündernd umherziehen und die Bewohner angriffen.
In diesem allgemeinen Nachkriegschaos versuchen nun die Briten, eine zivile Ordnung wieder herzustellen. Außerdem wird vermerkt, dass der Bottroper Bürgermeister in diesen Tagen bei der Militärverwaltung auf die Rückkehr der Evakuierten drängt, die sich auf der linken Rheinseite aufhalten. Darüber hinaus gilt aber auch das Augenmerk unter anderem der Wiederbeschäftigung von Angestellten, auch denen, die auf Grund ihrer Verbindungen zur NSDAP entlassen worden waren. Interessanterweise wird die offizielle Kapitulation am 8. Mai 1945 in dem britischen Kriegstagebuch mit keinem Wort erwähnt. Hauptquartier der Militärverwaltung ist das ehemalige Bergrevieramt an der Moltkestraße.
Erste Stadt mit funktionierendem Telefonnetz - Erstes Nachkriegskonzert in der Region
Wie das zivile Leben langsam wieder in Gang kommt, berichtet auch das erste städtische Jahrbuch von 1945. Die erste Straßenbahn in der zerstörten Stadt nimmt bereits am 30. April 1945 zwischen Zeche Prosper II und Ostring wieder ihren Dienst auf. Im Juni vor 75 ist Bottroper die erste Stadt im Ruhrgebiet mit wieder funktionierender Telefonverbindung. Und am 4. August beginnt in Bottrop wohl als erster Stadt in der Region das kulturelle Leben: Musikdirektor Franz Switing leitet das erste Nachkriegskonzert in der alten Schauburg.