Die Opfer des Apothekerskandals schreiben einen Offenen Brief an die Fraktionen des Bundestags. Sie fordern eine Änderung im Entschädigungsrecht.

Die Bottroper Apothekeropfer haben einen offenen Brief an die Fraktionen im Bundestag geschrieben. Sie wollen erreichen, dass Fälle wie der Bottroper Apothekerskandal Eingang finden in das Soziale Entschädigungsrecht (SER). Dann hätten die Bottroper Opfer, aber auch Opfer ähnlicher Fälle künftig Anrecht auf eine Entschädigung seitens des Staates. Aktuell wird das entsprechende Gesetz in Berlin beraten – auch mit Blick auf die Opfer des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz.

Heike Benedetti, die als eines der „Onko-Mädels“ die Demos in der Innenstadt mit organisiert hat, und ihre Mitstreiterin Ilona Strunk kämpfen nun dafür, dass auch Fälle wie der Bottroper Teil des neuen Gesetzes werden. Der Bottroper Apotheker Peter Stadtmann hatte tausendfach Krebsmedikamente unterdosiert und so Krankenkassen um Millionen betrogen. Dafür wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Heike Benedetti und Ilona Strunk fordern eine Ergänzung der geplanten Regelung um einen Paragraphem, der sich mit der Unterlassung von lebensrettenden oder lebensverlängernden Infusionen befasst. „Hier wurden Krebskranke um Lebenszeit betrogen. Deshalb kämpfen wir.“

Enttäuschung über Absage aus dem Büro von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble

Ein schwieriger Kampf, wie die beiden feststellen mussten, die mit diesem Anliegen schon an zahlreichen Stellen abgewiesen, vertröstet oder weitergeleitet wurden. Heike Benedetti verweist auf das Grundgesetz, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, heißt es weiter. „Unsere Würde als Opfer dieses Skandals wird von den Politikern mit Füßen getreten“, so ihr Eindruck. Immerhin gehe es um mehr als 4000 Menschen

So habe sie sich unter anderem an den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble gewandt. Dessen Büro hat sie an den lokalen Abgeordneten verwiesen, verbunden mit dem Hinweis, dass Schäuble für solche Themen keine Zeit habe. Von der Kanzlerin habe sie gar nicht erst eine Antwort erhalten, so Heike Benedetti.

Unterstützung erfahren die Bottroperinnen bisher nur von den Grünen im Bundestag

Daher nun also der offene Brief an alle Fraktionen im Bundestag – mit Ausnahme der Grünen. Die erhielten ihn lediglich zur Kenntnisnahme, stellt Heike Benedetti klar. Denn die Fraktion habe die Bottroper Anregungen aufgegriffen und eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, inwieweit nicht auch Fälle wie der Bottroper Apothekerskandal Teil des SER werden könnten.

Heike Benedetti sieht auch die öffentliche Hand in der Verantwortung, schließlich sei der Fall nur möglich gewesen, weil staatliche Kontrollen keine Wirkung gezeigt hätten. In seiner Urteilsbegründung hatte Richter Johannes Hidding dann auch von „Behördenversagen“ gesprochen. Ihr Kampf für die Änderung des SER und für die Anerkennung als Opfer, gleichgestellt etwa neben Opfern von Terroranschlägen oder Krieg, sei auch unabhängig von laufenden Schadensersatzklagen, stellt Heike Benedetti klar. Nur: Nach der Insolvenz Stadtmanns dürften mögliche Schadensersatzansprüche, so das Gericht sie feststellt, nur schwer durchsetzbar sein.

Heike Benedetti und Ilona Strunk setzen ihren Kampf deshalb fort – auch wenn einige andere Opfer nach zahlreichen Rückschlägen resigniert haben. Heike Benedetti: „Mich hält dieser Kampf aufrecht. Das tue ich auch für meine Mädels, die gestorben sind und für deren Angehörige.“

Zu zwölf Jahren Haft verurteilt

Im Juli 2018 verurteilte das Landgericht Essen Peter Stadtmann zu zwölf Jahren Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Bottroper Apotheker in tausenden Fällen Krebsmedikamente zu niedrig dosiert hat und so die Krankenkassen um Millionen betrogen hat.

Herausgekommen war der Skandal nur, weil zwei damalige Mitarbeiter Anzeige erstattet haben. Einer von ihnen, Martin Porwoll hatte dafür zunächst die Bücher verglichen, um herauszufinden, wie viel Wirkstoff im Vorfeld eingekauft und wie viel abgerechnet wurde. Im Nachhinein wurden beide mit dem Whistleblower-Preis ausgezeichnet.