Bottrop. . Bei der Staatsanwaltschaft laufen noch Verfahren wegen des Bottroper Apotheker-Skandals. Beschuldigt sind Eltern und Mitarbeiter. Ein Überblick.

Peter Stadtmann wurde zwar im Juli vergangenen Jahres verurteilt und sitzt im Gefängnis, doch noch immer beschäftigt der Fall um die gestreckten Krebsmedikamente die Essener Staatsanwaltschaft. Fünf Ermittlungsverfahren gegen unterschiedliche Beschuldigte sind in dem gesamten Komplex noch nicht abgeschlossen, sagt Oberstaatsanwältin Anette Milk auf Nachfrage der Redaktion.

Vorwurf der Strafvereitelung gegen frühere Zeugin

Zuletzt hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen eine ehemalige Mitarbeiterin Stadtmanns eröffnet. Ermittelt wird wegen möglicher Strafvereitelung. Der Fall liegt schon weiter in der Vergangenheit. Der Ex-Mann der jetzigen Beschuldigten hatte 2013 schon Vorwürfe gegen Stadtmann erhoben. Die Staatsanwaltschaft hat ermittelt, den Fall dann jedoch eingestellt – auch aufgrund der Zeugenaussage der jetzt Beschuldigten. Nun gehe es um die Frage, ob Sonja C. sich damals der Strafvereitelung schuldig gemacht habe, so Anette Milk.

Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz

Daneben laufen aber auch noch Verfahren, gegen die Eltern von Peter Stadtmann. So ermittelt die Staatsanwaltschaft sowohl gegen den Vater als auch gegen die Mutter wegen möglicher Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz. Hintergrund ist hier die Lagerung von Medikamenten in einem Kellerraum der Apotheke. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun, inwieweit gegen Vorschriften zur Lagerung verstoßen wurde oder ob womöglich ein unerlaubter Großhandel vorlag.

Ermittlungen wegen des Verdachts der Beihilfe

Gegen Stadtmanns Mutter läuft noch ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe. Die Staatsanwaltschaft hatte dieses Verfahren schon relativ früh – noch während des Prozesses gegen Stadtmann vor dem Landgericht Essen – in die Wege geleitet. Sie prüft, ob und inwieweit auch die Mutter in die Taten Stadtmanns verwickelt ist. Wann dieses Verfahren abgeschlossen ist, darüber könne sie keine Prognose abgeben, sagt Anette Milk. Das gelte auch für die anderen noch laufenden Verfahren.

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Denn die Staatsanwaltschaft ermittelt auch nach wie vor noch gegen zwei Mitarbeiterinnen der Apotheke. Bei der Durchsuchung haben die Ermittler 100 Mischungen sichergestellt. Laut Etiketten wurden sie teils von Stadtmann, teils auch von den Mitarbeiterinnen hergestellt, so Anette Milk. Nun gehe es in den beiden voneinander getrennten Verfahren darum zu klären, inwieweit auch die Mitarbeiterinnen gestreckte Medikamente hergestellt haben.

Die Verfahren laufen teils schon lange, ein Ende aber sei noch nicht absehbar, sagt die Oberstaatsanwältin. Das hänge auch mit den komplexen Sachverhalten zusammen. Das dürfte aber nicht das einzige Hindernis sein, vor dem die Ermittler stehen. Nach WAZ-Informationen äußern sich die Beschuldigten – ähnlich wie Peter Stadtmann – nicht zu den Vorwürfen. Auf Nachfrage wollte sich Anette Milk dazu nicht äußern.

Einige Verfahren sind bereits abgeschlossen

Gleichzeitig gibt es rund um den Bottroper Apothekenfall aber auch schon zahlreiche Ermittlungsverfahren, die die Staatsanwaltschaft bereits beendet hat – aus unterschiedlichen Gründen. So etwa die Frage nach Bestechung und Bestechlichkeit von Ärzten und Pharmavertretern. Stadtmann soll einer Praxis unter anderem eine Weihnachtsfeier ausgerichtet haben und einen Pharmareferenten eine Küche bezahlt haben. Diese Fälle hat die Staatsanwaltschaft eingestellt. Zum einen lägen einige dieser möglichen Vorfälle schon länger zurück, so Anette Milk. „Zu dem Zeitpunkt gab es diesen Tatbestand noch gar nicht im Gesetzbuch, zum anderen weil es sich nicht habe beweisen lassen.

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Dafür wurde im Nachgang des Verfahrens ein Journalist verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, eine Prozessakte im Internet veröffentlicht zu haben. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, allerdings unter Vorbehalt. Anette Milk: „Das ist quasi eine Geldstrafe, ausgesetzt zur Bewährung.“

Anonyme Drohungen gegen verschiedene Beteiligte

Eingestellt wurden auch mehrere Verfahren gegen Unbekannt, weil kein Täter ermittelt werden konnte. In einem Fall ging es um Drohungen gegen die Pharmazeutin, die die Apotheke übernommen hat und unter neuem Namen führt. In einem anderen Fall wurden Nebenkläger bedroht. Hier habe es zwar einen Verdächtigen gegeben, der Verdacht habe sich jedoch nicht erhärtet, so Anette Milk.

Ganz aktuell hat auch Martin Porwoll, der als einer der Whistleblower den Fall letztlich ans Tageslicht brachte, Anzeige gegen seinen ehemaligen Chef erstattet. Er wirft ihm Betrug vor. Hintergrund: Nach der Verhaftung Stadtmanns wurde Porwoll entlassen. Dagegen klagte er und vor dem Arbeitsgericht einigten sich die Parteien auf einen Vergleich. Porwoll sollte eine Abfindung erhalten. Das Geld ist bis heute nicht geflossen.

Hinweisgeber wartet weiter auf seine Abfindung

Das Betrugsverfahren hat die Staatsanwaltschaft jedoch auch eingestellt. „Denn wenn jemand mehrere Taten begangen hat, ist die Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet kleinere Delikte weiter zu verfolgen, wenn die daraus resultierende Strafe angesichts der anderen Strafen nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.“ Anders ausgedrückt: Die Strafe für diesen Betrug wäre angesichts der zwölf Jahre, zu denen Stadtmann verurteilt wurde, nicht weiter wichtig gewesen.

Allerdings handele es sich dabei nur um eine vorläufige Einstellung, erläutert Anette Milk, Je nach Ausgang der Revision vor dem Bundesgerichtshof könne die Staatsanwaltschaft diesen Falle wieder aufgreifen.

Martin Porwoll will derweil den damals abgeschlossenen Vergleich vom Landesarbeitsgericht aufheben lassen und doch ein Urteil erwirken, sagte er gegenüber der WAZ. Damit könnte er dann gegen die Mutter Stadtmanns angehen, die die Apotheke zwischenzeitlich von ihrem Sohn übernommen hatte.