Bochum. Sibylle Broll-Pape gelingt eine grandiose „Orest“-Inszenierung im Prinz Regent Theater. Die Eröffnung ihrer Abschiedsspielzeit gerät drastisch, verliert sich aber nicht darin. „Orest“ sucht nach düsteren Kontinuitäten in der Menschheitsgeschichte.
Das Theaterblut fließt aus dem Eimer, die Axt wirbelt mörderisch im Stroboskoplicht zu Heavy-Metal-Klängen. Mit expliziter Drastik inszeniert Sibylle Broll-Pape die Dramenbearbeitung der Stoffe um Orest, den Sohn des Troja-Helden Agamemnon. Dennoch verbleibt ihre Eröffnungsinszenierung ihrer letzten Prinz-Regent-Spielzeit nicht auf der effektreichen Oberfläche, sondern illustriert auch mörderische Kontinuitäten der Menschheitsgeschichte.
Die griechischen Dramenstoffe werden derzeit oft gespielt. Weil sie aus urfernen Zeiten stammen und doch dazu taugen, aktuelle Probleme auf sie zu projizieren. Und so funktioniert diese Orest-Fassung auf verschiedensten Ebenen.
„Wer die Macht hat, darf alles“
Theaterkompositeur John von Düffel hat sie so klug arrangiert, dass selbst eine recht tragfähige Psychologie entsteht. Rache ist das Thema, und wie sie sich anfühlt, ist sie erst blutig vollzogen. Alexander Ritter als Orest gelingt das darstellerisch prägnant, böse Mordlust weicht irremachendem Zweifeln bei diesem Horror-Hamlet. Angestachelt wir er dabei von Elektra (Magdalena Helmig), seiner Schwester, die ihren Hass auf Aigisthos, den von Stephan Ullrich so ungreifbar-ölig gezeigten Machtmenschen, nur mühsam verbal zu kanalisieren weiß. Klytaimnestra (Hella-Birgit Mascus) dagegen wähnt sich ebenfalls im Recht: der umgebrachte Gatte, Vater von Orest und Elektra, habe schließlich nichts anderes verdient. „Wer die Macht hat, darf alles“, sagt Elektra einmal, was die individuelle Ebene des Stückes mit einer aktuell-geschichtsphilosophischen verbindet.
Broll-Papes packende Inszenierung, räumlich auf einer Papier-Bahn zwischen Tribünen sensationell umgesetzt, ist eine böse Erzählung über die Beziehung von Macht und Gewalt.