Bochum. Die Entwicklung der digitalen Fotografie schien das Ende der Fotostudios einzuläuten. Die aufstrebende Firma von Christian Hamer beweist, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Picture People verzeichnet einen Jahresumsatz von sechs Millionen Euro und will weiter wachsen.
Mut hat er ja. Offenbar auch das richtige Näschen. So gut wie alle haben Christian Hamer abgeraten von seinem Geschäftsmodell. Und er hat viele Kenner der Branche gefragt. Im Zeitalter der digitalen Fotografie, in der jeder jeden und alles, immer und überall fotografieren kann, einen Laden für Studiofotografie zu eröffnen, wirkte 2009 ziemlich gewagt. „Lass es lieber“, haben ihm etliche Fotografen geraten, die er in ganz Deutschland besucht hat. Zumal: Die Zahl der Fotostudios und ihre Umsätze gehen in den Keller. Christian Hamer hat es trotzdem gewagt, seine Geschäftsidee umzusetzen. „Mein Vater hat mir das Anfangskapital zur Verfügung gestellt, wofür ich ihm sehr dankbar bin“, sagt der Jungunternehmer.
100.000 Euro, die offenbar gut angelegt waren. In den nächsten Tagen wird Picture People, Hamers Unternehmen, seine Filialgeschäfte Nummer 19 (Kassel), 20 (Stuttgart II) und 21 (Köln) eröffnen. Ein Ende der Erfolgsgeschichte ist noch nicht in Sicht. Picture People steuert auf Wachstumskurs und entwickelt sich damit gegen den Trend. Zwar „konservativ“, so Hamer, der als gelernter Unternehmensberater Geschichten von zu steilen Firmenaufstiegen und ihrem jähen Fall erlebt hat. „Und das wird uns 100-prozentig nicht passieren.“
Markt wird momentan aufgeteilt
Aber da die Läden brummen, der Wunsch nach dem besonderen Bild ungebrochen ist und auch immer mehr Firmen wie die Telekom, Eon oder C&A mit Portrait- und Eventfotografie-Aufträgen an ihn herantreten, investiert er weiter fleißig. „Momentan wird der Markt aufgeteilt.“ Er möchte als einer von der zwei nennenswerten Playern in Deutschland seine Position besetzen. Indes hat sich das Investment pro Filiale mittlerweile auf 200.000 Euro verdoppelt. Anders als früher legt der Chef beim Aufhängen von Bildern nicht mehr selbst Hand an. Ebenso wie das Produktangebot standardisiert ist, gibt es auch für den Ladenausbau klare Vorgaben. „Das Wichtigste dabei ist, dass wir Strukturen aufbauen, die uns Arbeit abnehmen.“
Schon zwei Jahre nach der Firmengründung erhielt er 2010 den Start-Award des NRW-Wirtschaftsministeriums in der Kategorie „innovativstes Jungunternehmen des Jahres“. Das Erfolgsrezept sieht so aus: „Wir haben einen hohen Qualitätsstandard, transparente Preise und die Kunden können nach dem Fotoshooting ihre Bilder sofort mitnehmen.“ Als „Besondere-Momente-Festhalter“ sehe sich Picture People im Geschäftszweig private Fotografie. Das zweite Standbein ist die Auftragsarbeit für Unternehmen oder bei Events.
Auftraggeberin war Vertreterin einer Agentur
Eine Veranstaltung war es auch, die für besondere Schubwirkung gesorgt hat. Bei der Eröffnung des Ladenlokals in Neuss hatte eine ihm bislang unbekannt Frau gefragt, ob Picture People einen Auftrag für ein Event in Amsterdam übernehmen könne. Die Auftraggeberin stellte sich später als Vertreterin einer Agentur heraus, die für Veranstaltungen chinesischer Konzerne in Europa zuständig ist, beim Shooting war die Spitze europäischer IT-Unternehmen anwesend. So geriet die Abwicklung eines anspruchsvollen Projekts, in kurzer Zeit hunderte gute Fotos zu schießen, sie sofort zu drucken und gerahmt zu verteilen, zur besten Eigenwerbung.
Ein Zufall, der den Firmenchef dennoch in seiner Strategie bestätigt, „keinen Bauchladen zu betreiben“, wie er es nennt. „Man sollte sich konzentrieren entweder auf die Hardware, so wie es mein Vater und mein Bruder erfolgreich tun, oder wie wir ausschließlich Studiofotografie betreiben.“ Beides zusammen funktioniere nicht.
Unterm Strich muss die Mehrheit der Entscheidungen stimmen
Mit Fotos hat er es. In seinem Büro hängt ein Plakat mit dem Konterfei von Schauspieler Steve McQueen, „angeblich mit Originalunterschrift“, wie Christian Hamer sagt. Im Vorjahr hat er eine Fotosafari in Okavango-Delta gemacht. „Aber ich bin kein Fotograf“, sagt der studierte Betriebswirt. Gleichwohl hat der 34-Jährige einen Blick für gute Fotos und eine individuelle Bildsprache.
Die hört sich bei Picture People zwar beinahe banal an: „Wir wollen die Menschen ohne viel Schnörkel drumherum zeigen, sondern in ihren Emotionen und ihren Beziehungen zueinander.“ Ganz einfach umzusetzen ist dieser Ansatz indes nicht. Denn zugleich sollen die Fotos in einer außergewöhnlichen Umgebung und in gelöster Atmosphäre entstehen. Der Erlebnisfaktor spiele eine große Rolle.
Die Initialzündung für sein Geschäft hatte Hamer beim Besuch einer Fotostudio-Kette in den USA. Die hatte sich auf Fotos von Babys und Kleinkinder spezialisiert und arbeitete vornehmlich in großen Shoppingmalls. „Ich habe mir überlegt, ob das Konzept auch für Deutschland funktionieren könnte“. Es funktioniert.
Karstadt ist „super interessant“
Was nicht heißt, dass der Mann immer richtig liegt. „Bei uns gibt es eine Fehler zulassende Unternehmenskultur“, sagt er. Gerade weil das Unternehmen jung sei, Strukturen erst aufgebaut und Wege gesucht werden müssen, könnten Fehler passieren. Sie passieren auch. Hauptsache die Summe der Entscheidungen am Ende des Jahres weist ein Plus für die richtigen gegen den falschen aus.
Das größte Plus war die Einsicht, dass die vielfältigen Möglichkeiten privater Fotografie das Geschäftsmodell Fotostudie nicht zerstören. Im Gegenteil. „Das sind zwei verschiedene Produkte“, sagt Christian Hamer. Fotografie sei in aller Munde. Neue Geschäftsansätze sind daher kein Tabu. Die jüngste Filialeröffnung gab es in Dortmund – auf einer Sonderfläche bei Karstadt. Der einstige Einzelhandelsriese wankt zwar und ist derzeit kein Leumund für Erfolgsgeschichten. Aber Christian Hamer sagt, „Karstadt ist super interessant für uns.“ Mal sehen, ob er auch mit dieser Entscheidung richtig liegt.