Bochum. Die Bundeswehr gehört nicht als Aussteller zu einer Berufsausbildungsmesse. Das sagen Kritiker, die seit Jahren monieren, dass die Truppe sich im Bochumer Ruhrcongress präsentiert. Auch bei der siebten Auflage am 10. und 11. September haben sie Proteste angekündigt.
94 Aussteller, mehr als 180 Ausbildungsberufe, einige Tausend Besucher und ein Aufreger. Die Bundeswehr scheint mit ihrem Stand auch bei der siebten Auflage der Berufsbildungsmesse Mittleres Ruhrgebiet heute und morgen im Ruhrcongress wieder in den Mittelpunkt zu rücken.
Das Bochumer Friedensplenum hat „eine Reihe von Protestaktionen“ angekündigt und fordert den Gastgeber auf, Besuchern die vor der Halle verteilten Flugblätter nicht abzunehmen und das Betreten der Halle auch dann zuzulassen, wenn Besucher Kleidung mit kritischen Botschaften tragen. 100 T-Shirts mit dem Schriftzug „Kein Werben fürs Sterben“ hat das Friedensplenum im Vorfeld produzieren lassen. Hinter die Protestler stellt sich die Bundesabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke), die kritisiert, dass die Bundeswehr den Eindruck erwecke, der Dienst in Uniform sei ein „Abenteuer- und Event-Erlebnis“. Jungen Frauen und Männern werde vorgegaukelt, der Beruf der Soldatin oder des Soldaten sein ein Job wie jeder andere. Die Linken-Fraktion im Bochumer Rat fordert „die Berufsbildungsmesse zu entmilitarisieren“.
Soldatenberuf ist ein besonderer
Die Kritik, es werde ein falsches Bild von der Bundeswehr gezeichnet, „kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Frank Schiffmann vom Karriereberatungsbüro der Bundeswehr in Bochum. „Wir machen kein Geheimnis daraus, dass der Beruf des Soldaten ein besonderer ist.“ In den Vorträgen und Gesprächen werde großes Gewicht darauf gelegt, zu vermitteln, dass Gefahren damit verbunden sein können wie etwa bei Auslandseinsätzen.
Das Interesse von jungen Frauen und Männern an dem Dienst bei der Truppe sei groß. „Wir waren mit der Resonanz in den vergangenen Jahren immer zufrieden“, so Schiffmann. Die größere Nachfrage bestehe in der Regel nach den soldatischen Berufen. Das ist auch der Bereich, in dem die Bundeswehr den größten Personalbedarf hat. Jährlich gebe es einen „Regenerationsbedarf“ von etwa 16 000 Soldaten.
Dass die Ausbildung bei der Bundeswehr für Schüler eine Alternative ist, bestätigt Christiane Springwald. Sie ist Schulsozialarbeiten und Studien- und Berufswahlkoordinatorin an der Liselotte-Rauner-Hauptschule. Sie hat festgestellt, „dass eine Ausbildung bei der Bundeswehr für viele unserer Jungs durchaus attraktiv ist“.
Vertreten auf vielen Messen
Vertreten ist die Bundeswehr zur Werbung in eigener Sache das ganze Jahr hindurch landauf, landab. Wie aus der Antwort einer Kleinen Anfrage im Bundestag hervorgeht, hat sie sich allein von April bis Juni auf 157 Messen von Niebüll im hohen Norden bis nach Isny im tiefen Süden präsentiert.
Was sie sucht, das verrät ein Blick auf ihre „Karriere-Seite“ im Internet. Demnach gibt es momentan 395 freie Ausbildungsplätze vom Kfz-Mechatroniker bis zum Beamten im mittleren Verwaltungsdienst. „Exotisches“ tritt beim Blick auf den Bereich „besondere Verwendungen“ zu Tage. So sucht die Truppe etwa interkulturelle Einsatzberater. Sie sollen militärische Entscheidungsträger beraten, einen regionalwissenschaftlichen Hochschulabschluss vorweisen und außerdem die „Bereitschaft zu längeren Auflandsaufenthalten in Krisengebieten im Status Soldat“ mitbringen.
Pro-Kommentar: Kritik ist in Ordnung
3 Fragen an: Dr. Christoph Konrad (56), Oberst d.R., früherer CDU-Kreis-Vorsitzender
1. Was halten Sie davon, dass die Bundeswehr bei der Ausbildungsmesse vertreten ist?
Die Bundeswehr ist einer der größten Arbeitgeber. Es ist richtig und notwendig, dass sie an einer Ausbildungsmesse teilnimmt.
2. Wie bewerten Sie die Kritik, die Bundeswehr gaukle vor, die Arbeit bei ihr sei ein Abenteuer- und Event-Erlebnis?
Eine kritische Begleitung der Bundeswehr durch die Öffentlichkeit ist völlig in Ordnung. Mein Eindruck ist: Die Bundeswehr informiert sachlich. Ob die jeweils vorgetragene Kritik sachlich ist, kann oftmals bezweifelt werden.
3. Ist die Bundeswehr ein Arbeitgeber wie jeder andere?
Viele Soldaten haben ihr Leben verloren, als und weil sei im Auftrag des Bundestags ihren Dienst in Afghanistan geleistet haben. Das macht eine mögliche Dimension einer Entscheidung für die Bundeswehr deutlich.
Contra-Kommentar: Zum Töten ausgebildet
3 Fragen an Ralf D. Lange (55), Vorsitzender der Fraktion „Die Linke“ im Bochumer Rat und ehemaliger Zivildienstleistender
1. Was halten Sie davon, dass die Bundeswehr bei der Ausbildungsmesse vertreten ist?
Das finde ich zynisch angesichts der Lage auf dem Ausbildungsmarkt. Zudem verstößt es gegen die Kinderkonvention der UN, die aus gutem Grund Militärwerbung bei Minderjährigen verbietet.
2. Wie bewerten Sie die Kritik, die Bundeswehr gaukle vor, die Arbeit bei ihr sei ein Abenteuer- und Event-Erlebnis?
Wer sich das Propagandamaterial der Bundeswehr ansieht – seien es Werbefilme, Broschüren oder Messestände – wird erkennen, dass dort genau dieses Abenteuer- und Eventerlebnis vermittelt wird.
3. Ist die Bundeswehr ein Arbeitgeber wie jeder andere?
Die Bundeswehr ist natürlich keine Arbeitgeberin wie jede andere. Es wird zum Töten ausgebildet und man muss damit rechnen, bei der Ausübung des Berufes zu sterben.