Bochum. Beratung ist ein schwieriges Geschäft; noch dazu im weiten Feld der Gesundheits- und Sozialwirtschaft. Seit 25 Jahren behauptet sich die Contec GmbH erfolgreich in diesem Metier.
Manchmal ist es ganz schön sperrig. Wenn es wieder einmal um eine Gesundheitsreform geht, um Versorgungssysteme, um pädagogische Konzepte, aber vor allem um die unterschiedlichen Ebenen: Kommunen, Ministerien, Sozialeinrichtungen, Unternehmen. Es sind weite Felder und komplexe Themen, mit denen sie sich bei Contec beschäftigen. „Das ist schon ein sehr großes Rad, das wir hier drehen, von den Bühnen und der Komplexität“, sagt Thomas Müller, einer der Geschäftsführer von Contec. Deren Geschäft ist die Management- und Unternehmensberatung der Gesundheits- und Sozialwirtschaft.
Schwere Kost, der der Firmengründer Detlef Friedrich schon früh eine Art „Philosophie des Andersseins“ entgegen gesetzt hat. Queres Denken hat er sich und seinen Mitarbeitern auf die Fahnen geschrieben. Und fast so, als müsste der Kaufmann und diplomierte Psychologe dies noch unterstreichen, fügt er an: „Eigentlich ist das eine große Langzeitstudie eines Psychologen.“
Das Gesamtergebnis ist entscheidend
Obwohl – manchmal könnte der Verdacht nahe liegen. Beide Geschäftsführer tragen Fliege zum Anzug – „eine Querkrawatte“, wie Friedrich sagt und schmunzelt. Der Schlips für Querdenker sozusagen. Er ist Bestandteil des Firmenlogos. „Es ist uns gelungen eine Marke zu kreieren. Mit der Fliege sind wir als kleines Unternehmen deutschlandweit bekannt.“
Sie zu tragen, sei keine Pflicht. „Aber die Fliege ist ein Zeichen für Qualität“, so Friedrich, den sie im Haus schon mal Fiete nennen und von dem eine der langjährigen Mitarbeiterinnen, Nina Dargel, sagt: „Ich glaube es ist ihm egal, ob jemand vorne am Piano ein Solo spielt oder in der Ecke die Triangel. Letztenendes ist das Gesamtergebnis entscheidend.“
„Das Verhalten meiner Mitmenschen ist ein Spiegelbild meines eigenen Verhaltens.“
Das versuchen sie auch ihren Kunden zu vermitteln und führen dazu gerne das Beispiel mit dem Orchester an. Das Wesentliche in einem Orchester sei es, aufeinander zu hören. Friedrich: „Alle haben Exzellenz. Man muss ihnen nur das Zusammenspiel beibringen.“ Genau das gelte auch in Unternehmen.
Warum das so ist, lässt sich eingängig erklären – sagen sie bei Contec. Für die Analyse benötigen sie bisweilen nicht mehr als einen Bierdeckel. Sie glauben ihr Anliegen damit eingängiger erklären zu können als das einst Friedrich Merz mit seiner Steuerreform gelang. Die Vorderseite zeigt ein Pyramide zwischen zwei stilisierten Gehirnhälften, auf der Rückseite ist ein spiegelndes Rechteck, unter dem steht: „Das Verhalten meiner Mitmenschen ist ein Spiegelbild meines eigenen Verhaltens.“
Beginn mit Softwarelösungen
Angefangen hat der Firmengründer 1988 mit Softwarelösungen. Sein eigentliches Interesse und vor allem einen Bedarf am Markt erkannte er aber in der Beratung. Seine Firma trennte sich 1996 von der Software-Sparte („Ich hatte keine Lust mich von Bill Gates jagen zu lassen“), hat sich seit dem intensiv mit Strukturen beschäftigt und wuchs in den vergangenen Jahren vor allem im Personalbereich. 3000 Führungskräfte aus dem Gesundheitssektor hat sie in ihrem Bewerberpool; in diesem Segment ist sie damit auf einer Höhe mit Roland Berger oder Kienbaum.
Zuständig für den Bereich ist Thomas Müller. Der begann 2006 während seines Studiums als Praktikant und ist heute einer der Geschäftsführer. Querdenken und querein- und aufsteigen ist möglich in der Firma, die im bunt gestalteten Biomedizin-Zentrum auf dem Campus-Gelände der Ruhr-Uni zu Hause ist und die nicht nur deutschlandweit tätig ist, sondern auch in der Nachbarschaft. „Wir beraten Bochum bei der Entwicklung des Gesundheitscampus“, sagt Detlef Friedrich und kündigt an, dass die Stadt sich bald zur Entwicklung dort äußern wird. Zumal: „Ich denke, wir haben auch einen innovativen Ansatz für die Wirtschaftsförderung entwickelt.“
"Es ist eine Hygienetoilette"
„Die Gesundheitswirtschaft hat enorm viel Potenzial“, sagt Detlef Friedrich. Und ihre Wachstumsmöglichkeiten seien noch lange nicht erschöpft. Technische Entwicklungen und der demografische Wandel seien dafür nur zwei Gründe. Und ein Blick nach Japan etwa weist einen der Wege, wohin es über die medizinische Versorgung oder über Pflegeleistungen hinaus in Zukunft gehen könnte.
So wie einst in der Autoproduktion sind die Japaner diesmal auf dem Gebiet der technischen Assistenzsysteme auf dem Gesundheitssektor Vorreiter. Dazu gehören nicht nur die Exoskelette von Yoshiyuki Sankai, die auf Vermittlung von Friedrich am Bochumer Bergmannsheil angewendet und getestet werden, sondern auch anderes.
Das Contec-Tochterinstitut in Berlin hat unlängst für die Pflegeversicherung und das Bundesgesundheitsministerium eine Untersuchung zu der Frage erarbeitet, welche Technologie eingesetzt werden müsste, damit Menschen länger zu Hause wohnen bleiben können? „Es ist die Hygienetoilette“, so Friedrich, die es Menschen ermöglichen, viel länger als bislang selbstständig in ihrer gewohnt Umgebung zu bleiben und unabhängiger von Hilfe zu sein. In Japan habe die Toilette einen Verbreitungsgrad von 90 Prozent in Neubauten.
Ein starkes Fundament
Beispiele wie diese könnten aus Sicht des Gesundheitsexperten den Weg für Bochum weisen. Technische Assistenzsysteme seien ein riesig wachsender Markt, „nicht umsonst hat VW Black Berry gekauft“. „Es gibt nirgendwo in Deutschland einen Standort, wo diese Technik geclustert ist.“
Will sagen, warum könnte das nicht mitten im Ruhrgebiet geschehen – in Bochum eben, das mit seiner Hochschullandschaft und der Gesundheitswirtschaft bereits starke Fundament dafür hätte und außerdem genügend Flächen. „Wir haben so viele Pfunde, die nicht genutzt werden“, bedauert der Firmen-Chef. Das tue ihm „manchmal in der Seele weh“ – als Unternehmer und als Bochumer.