Bochum.. Prof. Dr. Gabriele Bellenberg ist Leiterin des Instituts für Erziehungswissenschaften an der RUB und zuständig für die Lehrerausbildung. An die Rückkehr zu G9 glaubt sie nicht, aber daran, dass die Generation der Lehrer, die jetzt mit der Ausbildung fertig wird, die ist, die vor verschlossenen Türen steht.

Prof. Dr. Gabriele Bellenberg hat ein umfangreiches Aufgabenfeld. Sie ist Geschäftsführende Leiterin des Instituts für Erziehungswissenschaften und war zuletzt auch im Auftrag des Landtags aktiv.

Schulministerin Löhrmann hat angekündigt, ausgefallene Unterrichtsstunden zukünftig wieder erfassen zu wollen. Wie viel Unterricht fällt tatsächlich an den Schulen des Landes und damit auch in Bochum aus?

Gabriele Bellenberg: Es kommt darauf an, welche Stichproben man zu Grunde legt: Das Ministerium hat für das Schuljahr 2008/2009 einen Unterrichtsausfall von 2,4 Prozent erfasst. Der Bericht des Landesrechnungshofs ist auf 4,8 Prozent gekommen.

Sie sollten untersuchen, ob ein neues Untersuchungsdesign für eine Ausfallstatistik mit vertretbarem Aufwand entwickelt werden könnte. Kann es?

Bellenberg: Es ist ein Aufregerthema. Es hat uns überrascht, dass es keine Studie gibt, welche Untersuchungsmethode die verlässlichsten Ergebnisse liefert. Fest steht, dass die Diskrepanzen zwischen den Zahlen der Länder und des jeweiligen Rechnungshofs deutschlandweit bestehen. Egal wie aufwändig sie erhoben wurden. Verfahren mit validen Daten sind sehr aufwändig und kostenintensiv. Das Geld kann besser direkt in die Vermeidung von Unterrichtsausfall fließen.

Bellenberg: Da wäre zunächst die externe Überprüfung. Die rechnet sich nicht. Gleiches gilt für die Möglichkeit mit 700 Lehrern, die die Ausfallzeiten erfassen. Die beste Möglichkeit ist die, bei der man nur zwischen fünf und sieben Lehrerstellen benötigt. Darauf läuft es hinaus. Löhrmann will weiter Stichproben haben. Das ist ein guter Weg.

Führt Unterrichtsausfall zu deutlich schlechteren Noten?

Bellenberg: Der Lernerfolg hängt mehr von der Qualität als von der Quantität des Unterrichts ab. Stundenausfall wirkt sich bei sozialschwachen Kindern tendenziell negativer aus. Die Folgen sind weniger gravierend, als wahrgenommen.

Wie viele Vorlesungen können Sie ob ihrer vielen Ämter noch halten?

Bellenberg: Ein oder zwei. Ich komme nicht mehr so an die Studenten heran.

Wie sehen Sie den Lehrerberuf?

Bellenberg: Es ist ein sehr verantwortungsvoller Beruf und einer, bei dem man sich auf vielen Ebenen bewegen muss, wenn man am Ball bleiben will. Die Anforderungen, die die Gesellschaft an diesen Beruf stellt, verändern sich stetig. Mit diesen Anforderungen konstruktiv umzugehen, halte ich für anspruchsvoll.

Wie bereiten Sie ihre Studenten darauf vor?

Bellenberg: Mir ist wichtig, dass wir nicht Lehrer züchten, die alles machen, was wir ihnen vorgeben. Sie sollen kritisch bleiben, Dinge hinterfragen.

Wollen überhaupt noch genügend junge Menschen Lehrer werden?

Bellenberg: Die Generation, die jetzt fertig wird, ist die, die vor verschlossenen Türen steht. Einen Knick bei den Anmeldezahlen merken wir nicht.

Keine Rückkehr zu G9

Gibt es zukünftig Veränderungen im Lehrer-Studium?

Bellenberg: Es wird ein Praxissemester eingeführt. Andere Unis werden es jetzt bereits anbieten. In Bochum wird es das ab 2015 geben. Die Studenten gehen fünf Monate in die Schule. Vier Wochentage sind sie an der Schule, ein Tag an der Uni. Das ist eine große Reformhoffnung.

Eine große Veränderung hat G8 gebracht. Glauben Sie an eine Rückkehr zu G9?

Bellenberg: Nein. In NRW haben wir ein breites Angebot. Da kann jeder Schüler die passende Schule finden. Wir begleiten einen Modellversuch. Es gibt 13 Gymnasien im Land, die die Erlaubnis haben, neun Jahre anzubieten. Für die Schulen ist es ein totaler Erfolg, weil es die Schülerzahlen hält. Bei G8 stelle ich fest, dass das Verhältnis zwischen Belastung und Freizeit fragwürdig ist. Da lassen wir Lerntagebücher führen. Eine Auswertung folgt.

Sie sind auch Mutter und erleben Lehrer aus der Sicht ihres Sohnes. Können Sie da gut trennen?

Bellenberg: Ich habe mich als stellvertretende Klassenpflegschaftsvorsitzende wählen lassen. Ich bin da gerne in zweiter Rolle. Da kann ich mich anbieten, wenn gefordert.

Wissen alle an der Schule Ihres Sohnes, welchen Job Sie haben?

Bellenberg: Nein. Ich versuche aber auch eher mit der Mutterrolle zu gehen.

Sie als Mutter gefragt. Zufrieden mit den Lehrern ihres Sohnes?

Bellenberg: Sie sind okay. Ich habe bekommen, was ich erwartet habe: ein klassisches Gymnasium. Wichtig ist mir, dass Schule weit mehr ist als Unterricht. Es muss ein Schulleben geben. Das gibt es an der Schule meines Sohnes.