Bochum. Die Lage in der Ukraine spitzt sich zu – auch in Bochums Partnerstadt Donezk. Banken und Geschäfte sind geschlossen, in allen Stadtteilen wird geschossen. Trotzdem arbeiten die sechs Mitarbeiterinnen der Sozialstation im „Bochumer Haus“ weiter.

Es wird geschossen, Häuser brennen, Banken und viele Geschäfte sind geschlossen. Die Versorgungslage ist schlecht und die Lage vieler Menschen verzweifelt. Jeden Tag scheint es noch gefährlicher zu werden in Donezk. Aber Ludmila Pelich möchte trotzdem so schnell wie möglich dorthin zurück. Sie lebt in Bochums Partnerstadt. Die Leiterin des „Bochumer Hauses“ ist momentan noch zu Gast bei Familie Schmidt in Linden.

Manfred Schmidt, Pfarrer in Ruhestand, hatte 1994 für den Evangelischen Kirchenkreis Kontakt zur Deutsch-Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Donezk aufgenommen. Sechs Jahre später entstand daraus das „Bochumer Haus“; 240 Quadratmeter im früheren Kindergarten einer Zeche, in der eine Sozialstation eingerichtet ist. Von dort aus werden momentan 170 Patienten, vorwiegend frühere Zwangsarbeiter, betreut.

Schwierige Versorgungslage

Dem Krieg entfliehen können sie nicht. „Die meisten sind nicht mehr mobil und können sich bestenfalls in ihrer eigenen Wohnung bewegen“, berichtet Ludmila Pelich. Die sechs Mitarbeiterinnen ihrer Einrichtung kümmerten sich immer noch jeden Tag um die Frauen und Männer in insgesamt drei Stadtbezirken – trotz der vielen Gefahren und der schwierigen Versorgungslage. Und auch das „Bochumer Haus“, das im Kiewer Bezirk unweit des Zentrums steht, ist intakt.

„Das Haus steht noch. Und das ist nicht selbstverständlich“, sagt Ludmila Pelich. In allen Stadtteilen werde mittlerweile geschossen, am Donnerstag habe die Zeche gebrannt. Schwierig sei vor allem die Versorgungslage. Ihre Mitarbeiterinnen bemühen sich, „in den wenigen Geschäften und Apotheken das wenige zu bekommen, das noch in den Regalen steht“, so die 66-Jährige.

Telefonleitungen stehen noch

Die Mittel für das „Bochumer Haus“ in Donezk und überhaupt für den Unterhalt der Einrichtung kommen unter anderem vom Bochumer Förderverein und von der „Bundesstiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ). Ein Segen sei es, sagt Leiterin Ludmila Pelich (66) dass sie vor ihrer Abreise die Löhne für den August in Euro bar vor Ort hinterlegt habe. Denn die Banken haben längst geschlossen. Geld gibt es keines.

„Die Lage der Menschen ist verzweifelt“, weiß auch Manfred Schmidt (80) aus den Erzählungen von Ludmila Pelich und von anderen Kontakten nach Donezk. Die sind noch nicht abgerissen. Vor allem per Mail funktioniert die Kommunikation. Und auch die Telefonleitungen stehen noch, wenn nicht gerade der Strom ausgefallen ist. Allerdings sind längst nicht mehr alle Freunde und Bekannten des Fördervereins oder der Gesellschaft Bochum Donezk überhaupt noch in der Stadt zu erreichen.

Keine Züge und Busse mehr in die Ukraine

Viele fliehen, wenn sie können, zu Freunden, Verwandten oder auf eine Datscha vor der Stadt“, sagt Margret Mizgalski. Weit mehr als 50 ihrer Freunde und Bekannte, so die zweite Vorsitzende der Gesellschaft Bochum Donezk, hätten die Stadt mittlerweile verlassen. Dazu gehört auch Natascha Kaftannikowa. Die Dolmetscherin ist ein wichtiges Bindeglied zwischen der hiesigen Gesellschaft Bochum-Donezk und der 2600 Kilometer entfernten Millionenstadt in der Ukraine. Sie wollte eigentlich nicht weg aus der Stadt, die aber für die Menschen immer bedrohlicher wird. Als sie zum Vorort Bahnhof ging, wurde sie beschossen.

Die Gefahren kennt auch Ludmila Pelich. Und doch möchte sie so schnell wie möglich zurück. Auch im April nach ihrem damaligen Aufenthalt in Bochum fuhr sie zurück. „An dem Tag wurde sogar bei uns im Garten geschossen.“ Sie weiß worauf sie sich einlassen würde. Allerdings: „Im Moment gibt es gar keinen Weg in die Ukraine.“ Die Zugverbindungen seien unterbrochen, auch Busse fahren nicht mehr. Und mit dem Flugzeug könnte sie bestenfalls nach Odessa kommen, wo eine ihrer Töchter lebt. Allerdings ist auch das noch weit weg von ihrer Heimatstadt.