Vor kurzem war sie in Essen. Als Dolmetscherin begleitete Natascha Kaftannikowa sechs Architekten, Ingenieure und Ärzte, die sich in am Klinikum informierten. Denn in ihrer Heimatstadt Donezk, der Partnerstadt Bochums, soll eine Klinik für Onkohämatologie und Knochenmarktransplantation entstehen. „Ich habe damals einen Anruf meiner Freunde aus Bochum bekommen, ich solle doch bleiben“, berichtet die 61-Jährige am Freitagnachmittag am Telefon. Schon da war die Lage in der Ukraine bedrohlich.

Jetzt ist sie wieder gefährlich. Auch und gerade in Donezk, wo Donnerstagnacht pro-ukrainische und pro-russische Kräfte auf dem zentralen Lenin-Platz aneinander gerieten und es Tote gab. Bis vor zwei Tagen hätten sich die beiden Lager nur gegenüber gestanden. Nun kommt es zum offenen Konflikt. Die Miliz war offenkundig überfordert. „Vielleicht waren es auch zu wenige“, vermutet die Rentnerin, die immer noch an der Universität Germanistik lehrt und als Dolmetscherin arbeitet. Die Rente ist nicht gerade üppig, und im vergangenen Monat wurde sie nur zu einem Teil ausgezahlt.

Nationalistische Tendenzen

Es sind schwierige Zeiten in der Ukraine. Nationalistische Tendenzen habe es immer gegeben, sagt Natascha Kaftannikowa. Im Westen seien russisch-sprachige Ukrainer wie sie nie wohl gelitten gewesen. Aber nun, da rechte Populisten der Regierung angehörten und es zumindest im Westen verboten sei, russisch zu sprechen, verschärfe sich die Lage. Gewalt ruft Angst und Unverständnis hervor. Die aus dem Westen, und die Gewalt, mit der Russland reagiere. „Niemand meiner Freunde in Donezk möchte zu Russland, aber auch nicht zu diesem Westen der Ukraine“, sagt die Dolmetscherin. „Alle haben Angst vor dem Westen.“

Auch die russische Verwandtschaft habe angerufen und sie eingeladen, zu kommen. Das sei es sicherer. „Aber hier ist meine Familie, mein Zuhause“, sagt Natascha Kaftannikowa. Dennoch: Angebote wie diese täten gut. Auch das aus Bochum. So wie die Hilfen, die es über die Gesellschaft Bochum-Donezk seit langer Zeit gibt. „Wir sind alle richtig krank vor Sorge“, sagt Monika Grawe, zweite Vorsitzende des Partnerschaftsvereins. Am Freitag hat sie mit ihrer Freundin telefoniert. Viel mehr ist momentan nicht auszurichten.

In Donezk ist für diesen Samstag ist eine neue Kundgebung auf dem Lenin-Platz angekündigt, berichtet Natascha Kaftannikowa. Ob sie hin gehen werde? „Um Gottes Willen, nein.“ Nicht nur aus Angst. Sie hat auch den Eindruck, dass da keine Bewohner von Donezk demonstrieren, sondern beide Lager Protestierende mit Bussen herankarren. „Die Menschen in Donezk wollen ihre Ruhe haben.“ Gesprochen werde nur noch selten über die politischen Konflikte, zu groß sei die Anspannung der vergangenen Wochen.

Am liebsten sähen sie es, wenn es eine einige, eigenständige Ukraine gäbe. „Aber das mit der neuen Regierung und der Beteiligung von Rechten wohl kaum noch möglich. Es ist schwierig.“

Der düstere Ton, indem Natascha Kaftannikowa das sagt, lässt nur erahnen, welche Sorgen sie und die Menschen in Donezk umtreibt. „Wir müssen jetzt abwarten, was das Referendum am Sonntag auf der Krim ergibt“, sagt sie. Und sie fürchtet, dass es nichts Gutes sein wird.