Bochum. Opelaner quittieren die Ausführungen von Opel-Vorstand Schumacher und IG-Metall-Verhandlungsführer Giesler zum Sozialtarifvertrag mit Schweigen. Bis zum 30. September wird entschieden, wer einen der 465 Jobs im Warenverteilzentrum bekommt. 150 Beschäftigte erledigen dort bis 2015 die Restarbeiten.

Keine Fragen. Schweigend verließen knapp 3000 Opelaner am Montagmorgen die Dortmunder Westfalenhalle, wo ihnen Opel-Personalvorstand Ulrich Schumacher und IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler jenen Sozialtarifvertrag vorgestellt haben, der die Auswirkungen der Werksschließung in Bochum zum Ende des Jahres abfedern soll. Kommentieren mochten das die Betroffenen vor der Halle nicht („Fragen sie doch mal die Leute von der IG Metall, warum das so ist“). Und auch drinnen blieb es dem Vernehmen nach eher ruhig.

„Das ist schon ein bisschen Resignation“, sagt Bochums IGM-Bevollmächtigte Eva Kerkemeier. „Jeder fragt sich in erster Linie, was das für ihn bedeutet.“ Die Aufforderung eines Redners, „ihr müsst doch kämpfen“, verhallte in der sich schnell leerende Halle. Draußen ging bei vielen der erste Griff zur Zigarette. Die Frage nach einem Kommentar wurde mit Kopfschütteln quittiert. Schnell suchten die meisten den Wegen zu den Parkplätzen.

"Zufrieden ist bei uns niemand"

„Ich werde mir jetzt den Vertrag genau durchlesen und versuchen, das beste aus der Situation zu machen“, sagt ein 48-jähriger Opelaner aus Recklinghausen, der wie so viele namentlich nicht genannt werden will. Seine Einschätzung: Die ausgehandelten Konditionen sind nicht schlecht. Der Zorn der Belegschaft richte sich gegen General Motors, das auch mit Erträgen aus Bochum erst für die Überkapazitäten gesorgt habe und nun das Bochumer Werk dafür opfere. Das sei bitter.

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Mit dürren Worten kommentierte Personalvorstand Schumacher das Ergebnis nach fünfmonatigen Verhandlungen: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir jetzt verantwortungsvolle und sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten hier in Bochum verfügbar haben. Es sind verlässliche, verbindliche Regelungen.“ Und doch: „Zufrieden ist bei uns niemand“, sagt Eva Kerkemeier. „Aber wir glauben dass wir das bestmögliche Ergebnis herausgeholt haben.“

"Das kann man Menschen nicht zweimal zumuten"

Ob das die Belegschaft auch so sieht, weiß indes niemand so genau, auch IGM-Verhandlungsführer Knut Giesler räumt ein: „Wir reden über eine Werksschließung und das sind die bittersten Momente, die es für Arbeitgeber und Gewerkschaft gibt.“ Eine Abstimmung unter den 82 Prozent in der IG Metall organisierten Kollegen von Opel Bochum schloss er aus.

„Wir sind vor einem Jahr heftigst dafür kritisiert worden, dass wir die Menschen über die Schließung ihres eigenen Werks haben abstimmen lassen. „Das kann man Menschen nicht zweimal zumuten.“

Die Wochen der Wahrheit gehen weiter

Die Verhandlungskommission der IG Metall wird den ausgehandelten Vertrag mit Opel am Mittwoch bewerten. Eine Abstimmung in der Belegschaft sei „emotional nicht verkraftbar“, so Bevollmächtigter Knut Giesler. „Ich glaube dass die Menschen nicht objektiv auf dieses Ergebnis blicken, und dazu stehe ich, dass es deutlich über dem ist, was normalerweise in der Industrie erreicht wird, dass man diese Objektivität in einer solchen emotionalen Betroffenheit Menschen nicht zweimal zumuten kann.“

Opelaner demonstrierten in Bochum

Am Montag, 24. März 2014, fand eine Kundgebung der Opel-Belegschaft am Hotel Renaissance statt.
Am Montag, 24. März 2014, fand eine Kundgebung der Opel-Belegschaft am Hotel Renaissance statt. © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
Eva Kerkemeier (IG Metall),...
Eva Kerkemeier (IG Metall),... © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
... Knut Giesler (IG Metall),...
... Knut Giesler (IG Metall),... © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
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... der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel ,...
... der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel ,... © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
... der Auszubildende Yunus Emre Yilderin, ...
... der Auszubildende Yunus Emre Yilderin, ... © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
... und Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann sprachen zu den Streikenden.
... und Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann sprachen zu den Streikenden. © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
Ulrich Schumacher (Arbeitsdirektor Opel Deutschland) versuchte zu beruhigen.
Ulrich Schumacher (Arbeitsdirektor Opel Deutschland) versuchte zu beruhigen. © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
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Schumacher hatte keinen leichten Stand.
Schumacher hatte keinen leichten Stand. © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
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Nach der Kundgebung vor dem Hotel...
Nach der Kundgebung vor dem Hotel... © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
marschierten die Arbeiter spontan zur Castroper Straße.
marschierten die Arbeiter spontan zur Castroper Straße. © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
Im Fokus: Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann.
Im Fokus: Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann. © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
Dort blockierten sie für eine Weile die Kreuzung am Stadion.
Dort blockierten sie für eine Weile die Kreuzung am Stadion. © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
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Brigitte Fröhlich (links) und Gabi Sommer nahmen für das Bastafrauenkomitee teil.
Brigitte Fröhlich (links) und Gabi Sommer nahmen für das Bastafrauenkomitee teil. © Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
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Er erinnerte an die Umständen, unter denen verhandelt wurde. Es habe einen fast gescheiterten Prozess in der Einigungsstelle gegeben. „Gescheiterte Einigungsstelle hätte bedeutet, es gäbe keine Ersatzarbeitsplätze, keine Transfergesellschaft und auch die Höhe der Abfindungssummen stand sehr in Frage.“

Ein "Abschlussteam" für ausstehende Arbeiten

552 Millionen Euro wird Opel eines der wohl größten Trostpflaster in der deutschen Industriegeschichte kosten. Die Hoffnung vieler Beschäftigter ruhen jetzt auf einen Job im Warenverteilzentrum oder die Qualifizierung in einer der drei Transfergesellschaften. IG-Metall-Frau Kerkemeier setzt derweil auf den guten Ruf der Opelaner. „Die „können diszipliniert arbeiten, sind an alle Schichten gewöhnt und haben gelernt, unter den verrücktesten Bedingungen zu arbeiten.“ Selbst jetzt, da der Tag der Werksschließung immer näher rückt. „Manchmal wundere ich mich, wie es die Leute noch schaffen, jeden Tag zur Arbeit zu gehen und mit großer Zuverlässigkeit Autos zu bauen“, kommentiert ein Passant.

150 Opelaner werden nach der Werksschließung bleiben, als „Abschlussteam“ erledigen sie noch ausstehende Arbeiten. Das Team wird bis zum 30. September gebildet. Bis dahin werden auch die 465 Arbeitsplätze für das Warenverteilzentrum vergeben. Die Wochen der Wahrheit gehen weiter.