Bochum. . Das Friedensplenum lässt nicht locker mit seiner Kritik am Namen Moltkemarkt für den neuen Feierabendmarkt am Springerplatz im Griesenbruch. Mitglieder des Bündnisses verteilten am Freitag Flugblätter. Die Veranstalter tolerierten die politische Propaganda.
Das Friedensplenum lässt nicht locker. Am Freitagnachmittag verteilten Mitglieder des Bündnisses Kopien ihrer Bürgeranfrage an den Rat der Stadt. Diese fordert Bochums Politiker mehr oder weniger direkt auf, die privaten Initiatoren des Feierabendmarktes zu bewegen, ihren Markt nicht länger „Moltkemarkt“ zu nennen.
Herwig Niggemann, einer der Initiatoren des Marktes, beobachtete genau, wie die Aktivisten Händler und Kunden vor Ort über ihre Kritik an der Namensgebung informierten. Einige der Markthändler hörten das erste Mal davon, dass das Friedensplenum entrüstet darüber ist, dass der preußische General Helmuth von Moltke hier namentlich auftaucht.
Politische Propaganda auf Wochenmärkten verboten
Die Moltke-Debatte konnte das Marktgeschehen aber keineswegs dominieren. Urgemütlich saßen einige Besucher mit warmen Getränken in der Dämmerung. Hier ließ sich niemand durch Politik die Feierabendlaune verderben.
Pro & Contra
Für den Namen sprechen sich Herwig Niggemann, Friedrich Schmidt und Thorsten Strozik von der ISG Springerplatz aus:
„Die Initiatoren des Feierabendmarktes haben sich nach reiflicher Überlegung und Abwägung vieler Argumente für den traditionellen, geschichtlichen Namen „Moltkemarkt“ entschieden. Sie wollen mit dem Markt dem Griesenbruch nach dem Stadtumbau die Identität als wichtiger Marktplatz in der Stadt zurückgeben. Dazu braucht man ein starkes Signal. Es ist kein Bezug auf die Deutsche Geschichte, sondern die Bochumer Geschichte.
Was spricht weiterhin für den Namen: Der Name wurde von der Bevölkerung in Bochum sehr positiv aufgenommen. Nur wenige wussten überhaupt, wo ursprünglich der Name Moltke her kam. Befragt, ob sie jemanden benennen können, nachdem früher der Markt benannt war, ist fast niemand in der Lage, eine Antwort zu geben. D. h. es gibt damit auch kein falsches Signal, dass damit jemand geehrt würde, der nicht geehrt werden soll, wenn man den Markt so benennt.
Auch sind sich Historiker nicht so einig, wie man Moltke den Älteren einschätzen soll. Zumindest eins ist überliefert, dass Moltke 1890 im Reichstag eine bemerkenswerte Rede gehalten hat, in der er vor einem neuen Krieg warnte, so deutlich, wie kaum ein anderer. (Wikipedia) Das, was in anderen Fällen vereinzelt gemacht wurde, nämlich die Umwidmung auf Henry James Moltke, dem Widerstandskämpfer, scheint den Initiatoren keine geradlinige Lösung. Denn gerade dadurch würde es ja zu einer ungewollten Konkurrenz von Personen auf dem Springerplatz kommen. Der Platz ist 1947 eben bewusst Karl Springer gewidmet worden.
Könnte der Markt nicht einfach den Namen ändern? Das riesige Medienecho auf den neuen Feierabendmarkt führt bereits jetzt schon dazu, dass man fast über all in NRW vom Bochumer Moltkemarkt spricht. Darauf können wir stolz sein. Eine Namensänderung würde das erheblich beeinträchtigen. Man kann eine Marke nicht einfach nach erfolgreicher Einführung ändern.
Zwei der drei Initiatoren haben ihre Familienwurzeln hier am Moltkemarkt, kennen daher aus eigener Familientradition die Überlieferung und Stärke des Begriffs, den der Name für die Bochumer hatte. Es ist also kein Name von einer Agentur ausgedacht, sondern ein sehr emotional Bochum-orientierter Name aus eigenem Erleben und Familiengeschichte.“
Gegen den Namen argumentieren Annemarie Grajetzky und Siegrid Schössler vom Friedensplenum Bochum:
„In den Trümmern des Jahres 1947 beschloss der Rat der Stadt Bochum, den zentralen Platz im Arbeiterviertel Griesenbruch nicht länger nach Helmuth von Moltke (1800-1891) zu benennen, sondern nach dem Widerstandskämpfer Karl Springer.
Moltke war oberster Militär in den preußisch/deutschen Angriffskriegen des 19. Jahrhunderts gegen unsere Nachbarn. „Der Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein schöner, und der Krieg ist ein Glied in Gottes Weltordnung ... Ohne Krieg würde die Welt im Materialismus versumpfen.“
So wies Helmuth von Moltke den Vorschlag zurück, Kriege durch den Ausbau Internationalen Rechts zu verhüten. Dieser Militarismus des 19. Jahrhunderts führt in gerader Linie zur Kriegsbegeisterung von 1914 mit Abermillionen Toten im Ersten Weltkrieg und zwanzig Jahre später in das abgrundtiefe deutsche Verbrechen des Zweiten Weltkriegs.
Karl Springer, Bochumer KPD-Führer, wurde gleich im März 1933 zusammen mit über hundert aktiven KPD- und SPD-Mitgliedern von SA-Trupps ergriffen, blutig geschlagen und zur Abschreckung schwer verletzt auf einem belebten Platz hilflos liegen gelassen, später bis Dezember 1933 im KZ Esterwegen eingesperrt. Danach setzte er seinen Widerstand fort. Nach erneuter Festnahme starb er am 18. Oktober 1936 an den massiven Misshandlungen der Gestapo im Bochumer Polizeigefängnis.
So war die Umbenennung 1947 Symbol des Neubeginns: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Nazi-Barbarei!“ Noch 2013 wurde zur Erinnerung an Karl Springer ein Stolperstein verlegt. Diese in Jahrzehnten gewachsene Bochumer Gedenkkultur wird verletzt, wenn der preußische Militarist als Namensgeber für einen Delikatessenmarkt auf dem Platz des Widerstandkämpfers wieder einmarschieren darf.
Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz und der Rat der Stadt Bochum sollen dem entgegentreten - das ist das Ziel der Bürgeranfrage des Bochumer Friedensplenums. Die Entscheidung darüber ist nicht Privatsache der Geschäftsleute.
Wenn diese ihr fragwürdiges Marketing über die Intention des Ratsbeschlusses von 1947 setzen wollen, sind Kompetenz und politische Autorität des Rates gefordert.“
Niggemann merkte indes an, dass eine solche Aktion die schöne Stimmung auf dem Markt stören würde. „Eigentlich ist politische Propaganda auf Wochenmärkten verboten. Das Friedensplenum ist zwar keine Partei, aber ein Mitglied ist neulich auch als Vertreter der Linken aufgetreten“, sagte er.
In einer Stellungnahme für die WAZ kündigte Niggemann an, dass man über einen neuen Namen nur nachdenken würde, wenn „die allgemeine Stimmung“ den Namen Moltkemarkt ablehne.