Bochum. Hier ist die wachsende Armut in Bochum schmerzlich sicht- und spürbar: Bis zu 150 Frauen und Männer suchen viermal in der Woche die Bochumer Suppenküche auf. Die WAZ hat im Rahmen der Themenwoche „Armes Bochum“ bei der Essensausgabe geholfen.

Eckhard lobt den Schweinebraten. „Gut durch, herrlich weich.“ Der Mann ist schließlich vom Fach. „Früher war ich in der Gastronomie“, erzählt der 69-Jährige. Genau das ist sein Problem. Als Wirt habe er so gut wie nichts in die Rentenkasse eingezahlt. Er lebt von 300 Euro Grundsicherung. Deshalb isst er seit Jahren in der Suppenküche. „Ich bin darauf angewiesen.“

Letzte Ausfahrt Stühmeyerstraße: Wer zu wenig Geld hat, um satt zu werden, und zu viel Stolz, sich ein paar Euro zu erbetteln, findet in der Suppenküche zuverlässig eine warme Mahlzeit. Zwischen 110 und 150 Bedürftige sind es, für die an vier Tagen in der Woche aufgetischt wird. „Es gibt keine Kontrolle. Wir lassen uns keine amtlichen Bescheinigungen zeigen. Wer diese Schwelle überschreitet, ist auf Hilfe angewiesen“, weiß Dr. Dieter Schulz, langjähriger Vorsitzender, Seele und Motor des Vereins Bochumer Suppenküche.

Herzliche Atmosphäre

Um 11 Uhr haben schon mehr als 100 Gäste, wie sie hier respektvoll genannt werden, in den drei Speiseräumen Platz genommen. Die Ausstattung ist karg. Die Atmosphäre um so herzlicher. Guten Morgen. Umarmungen. Küsschen. Ein besorgtes „Du siehst heute aber schlecht aus“. Man kümmert sich umeinander. „Tut ja sonst keiner“, grinst eine junge Frau bitter.

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In einer Themenwoche berichtet die WAZ noch bis Samstag über Armut in Bochum.

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Über ausgeprägte Hilfsbereitschaft freuen sich auch die fünf ehrenamtlichen Helfer, die heute im Einsatz sind. Bereitwillig packen die Gäste beim Ausladen mit an, als der Bulli mit den Warmhalte-Containern aus der Uni-Mensa vorfährt. Geduldig warten sie in der Schlange vor der Essensausgabe. Freundlich bedanken sie sich. Selbstverständlich stellen sie Teller und Besteck nach dem Essen auf die Abräumwagen im Flur.

Niemand geht hungrig nach Hause

„Ich kann nur Gutes sagen“, lächelt Dr. Schulz. „Man erfährt tiefe Dankbarkeit.“ Wichtig sind ihm die 50 Cent, die für das Essen inklusive Kaffee und Tee zu zahlen sind. Ja, der Vereinskasse tut jeder Euro gut. „Aber wesentlicher ist, dass sich die Gäste dieses Geld wert sind. Die wollen und sollen nicht immer alles geschenkt haben.“

Der Schweinebraten mit Nudeln, Wirsing und Salat hat ausgezeichnet geschmeckt. Für den Rest des Tages können die Besucher Brot, Gebäck und Wurst (gespendet von heimischen Bäckereien und einer Fleischerei) und abgepackte Lebensmittel der Wattenscheider Tafel mitnehmen.

Hier geht niemand hungrig raus. Auch nicht Eckhard. „Früher hab’ ich Currywurst und so’n Zeug gegessen“, sagt er. „In der Suppenküche ernähre ich mich viel gesünder.“ Er schwärmt vom frischen Salat und Gemüse. Der Mann ist schließlich vom Fach.

Suppenküche kann auf 55 Helfer zählen

Es gibt sie noch, die Stadtstreicher, die mit Sack und Pack unterwegs sind, in Passagen und unter Brücken schlafen. „In Bochum ist die Zahl der Obdachlosen aber eher gering“, sagt Sozialdezernentin Britta Anger. „Stimmt“, bestätigt Dr. Dieter Schulz. „Die meisten unserer Gäste haben eine – wenn auch bescheidene – Wohnung.“

Der 71-jährige Schulpädagoge (er lehrte bis 1991 an der Ruhr-Uni) zählt zu den Gründern der Suppenküche. „Den Anderen sehen, für den Anderen da sein“: Unter diesem Leitwort wurde die Armenspeisung 1996 an der Windmühlenstraße eingerichtet. 1999 folgte der Wechsel zur Arndtstraße. Seit März 2013 wird in den städtischen Räumen an der Stühmeyerstraße 33 aufgetischt, die die Suppenküche gemeinsam mit der Diakonie und deren „Wärmestube“ nutzt.

Der Verein finanziert sich durch Spenden und Sponsoren. „Das reicht von der 5-Euro-Einzelspende bis zur Unterstützung durch Firmen und Hilfswerke. Es gibt so viel Großherzigkeit und Großzügigkeit“, bedankt sich Dr. Schulz.

Besonders beliebt sind Eintöpfe

Das „eigentliche Kapital“ des Vereins seien die 55 Helfer, die allesamt ohne einen Cent Lohn im Einsatz sind. In Fünfer-Teams geben sie das Essen, das in der Mensa der Ruhr-Universität gekocht und von zwei Fahrern mit einem Bulli abgeholt wird, in der Suppenküche aus. Lecker-Deftiges kommt auf die Teller. Die Speisen reichen von Rouladen über Gulasch bis zu Fleischspießen mit Gemüse und Beilage. Besonders beliebt sind Eintöpfe.

Die Suppenküche ist montags, dienstags, donnerstags und freitags von 10.30 bis 13.30 Uhr geöffnet. Platz nehmen dürfen alle Menschen, die von Armut betroffen sind: Wohnungs- und Arbeitslose, Ausreißer, Rentner, Einsame. Alle.

Sie können sich auch ärztlich untersuchen lassen. In einem Behandlungsraum direkt neben der Suppenküche steht dienstags und freitags von 12 bis 13.30 Uhr ein Arzt zur Verfügung. Infos: www.bochumer-suppenkueche.de