Bochum. . 51 22 16. Eine x-beliebige Telefonnummer. Können Sie sich die Ziffern merken? Immer mehr ältere Menschen haben damit Probleme. Sie fragen: „Bin ich nur vergesslich oder schon dement?“ Antworten lieferte am Donnerstagabend das Medizinforum der WAZ und des LWL-Universitätsklinikums.

Volkskrankheit Altersverwirrtheit: Die Geißel Alzheimer reißt in tausende Ehen und Familien in unserer Stadt tiefe, unüberwindbar scheinende Gräben. Aktuell sind es 6700 Erkrankte. Bis 2050 wird sich die Zahl verdoppelt haben, besagen bedrückend realistische Prognosen. Naheliegend, dass die 240 Plätze im St. Josef-Hörsaalzentrum frühzeitig vergeben waren. Für weitere WAZ-Leser wurden noch Stühle herbeigeschafft.

Vergesslichkeit im Alter ist normal

Wenig Tröstliches für die meist älteren Besucher hatte zum Auftakt Prof. Dr. Onur Güntürkün zu berichten. „Heute Abend“, so der Biopsychologe der Ruhr-Universität, „haben Sie rund 80.000 Nervenzellen weniger als noch zum Frühstück.“ Doch das sei völlig normal. Im Alter leidet die Leistungsfähigkeit des Gehirns. Zellen sterben ab. Dopamin, der wichtigste Botenstoff für unsere grauen Zellen, wird abgebaut. Folge: Vor allem das Kurzzeitgedächtnis geht am Stock. Frag’ nach bei den ungezählten Menschen, die in den Keller gehen, um sich dort verwundert zu fragen, warum sie eigentlich in den Keller gegangen sind...

Ist das Demenz? „In der Regel nicht“, beruhigt der Grundlagenwissenschaftler. Ernsthaft krank sei man erst, wenn die Alltagstauglichkeit stark eingeschränkt ist, der Mensch orientierungslos, auf fremde Hilfe angewiesen ist. Vergesslichkeit hingegen sei eine Alterserscheinung, die fast jeden trifft. Onur Güntürkün: „Wir sind nicht dement, sondern ganz normal alt.“

Demenzrisiko lässt sich genau vorhersagen

Prof. Dr. Jens Wiltfang rät gleichwohl zum frühzeitigen Gang zum (Fach-)Arzt. Alzheimer könne inzwischen lange vor Ausbruch der Krankheit festgestellt werden – u.a. durch die Analyse des Nervenwassers. „Die Uhr tickt 10, 15 Jahre. Das Demenzrisiko lässt sich zu 90 Prozent genau vorhersagen“, weiß der Direktor des LVR-Klinikums Essen-Duisburg. Zwar ist Demenz nicht heilbar. Bestenfalls kann sie entschleunigt werden. Eine frühzeitige Diagnose sei dennoch hilfreich, um mit der Behandlung beginnen zu können. Jeder Patient habe bei ersten Anzeichen Anspruch auf eine Computertomographie und Blutuntersuchung.

Sind erste Anzeichen bei Ihnen erkennbar? Machen Sie den Test. Bitte nicht hingucken: Erinnern Sie sich noch an die Telefonnummer am Anfang des Textes?

Vorbeugung nur bedingt möglich

Kann der Demenz vorgebeugt werden? Nur bedingt, schränkten die Fachärzte beim WAZ-Medizinforum ein. Dr. Ute Brüne-Cohrs, Leiterin der gerontopsychiatrischen Sprechstunde am LWL-Klinikum, hatte für die WAZ-Leser gleichwohl einige Ratschläge parat:

Infos im Internet

Die Vorträge des WAZ-Medizinforums können auf der Internetseite des LWL-Universitätsklinikums nachgelesen werden. Die Adresse: www.lwl-uk-bochum.de
Eine aktuelle Fotostrecke mit Bildern vom Donnerstagabend aus dem ausverkauften St. Josef-Hörsaalzentrum finden Sie auf www.waz.de/bochum

Auf gesunde Ernährung und Lebensführung achten. Cholesterin erhöht vor allem im mittleren Lebensalter das Risiko, an Demenz zu erkranken; Diabetes mellitus verdoppelt es sogar. Ebenfalls gefährlich: Lebensmittel mit einem hohen Anteil gesättigter Fettsäuren (vermindern die Gedächtnisleistungen) und hoher Blutdruck.

Ist die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert, können Gedächtnistraining (Kreuzworträtsel, Sudoku), körperliche Aktivitäten (Spaziergänge, Gymnastik) und soziales Miteinander in der Gruppe die Folgen lindern. „Grundsätzlich gilt: fordern, fördern, aber nicht überfordern“, so die Expertin.

Oft daheim betreut

Vier von fünf Erkrankten werden daheim betreut; vom Ehepartner, der Tochter, der Schwiegertochter. Pflegende (Schwieger-)Söhne sind selten. Allen gemein ist die körperliche und seelische Belastung. Oft rund um die Uhr, sieben Tage pro Woche. Und das, obwohl die pflegenden Angehörigen selbst nicht mehr die Jüngsten sind. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 58. Sie sind der „zweite Patient“. Viele leiden an Depressionen, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Rücken-, Magenschmerzen.

Wichtig, mitunter lebenswichtig: Die Helfer müssen selbst Hilfe annehmen. Dazu gibt es in Bochum ein engmaschiges Netz der Beratung, Begleitung und Betreuung: von der Alzheimer-Gesellschaft bis zum DRK, von der Altenhilfe der Stadt bis zu den Pflegediensten, -kassen und -heimen. Im Internet findet sich auf www.bochum.de ein Demenz-Wegweiser.