Bochum. . „Ich weiß, dass ich Schulden bei den Stadtwerken habe“, sagt Silvana Hagemann. „Aber darf ich nicht dennoch etwas Menschlichkeit erwarten?“ Darf sie. Seit kurzem hat die 47-Jährige, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, an Leukämie und Bulimie leidet, wieder Strom daheim in Stahlhausen.

Silvana Hagemann ist schwerkrank. In ihrer Heimat in Bosnien war sie Opfer des entsetzlichen Bürgerkriegs. Seitdem ihr vor 21 Jahren die Flucht nach Deutschland gelang, leidet sie unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Eine 2006 diagnostizierte Leukämie und Bulimie machen die Katastrophe perfekt. Zu 100 Prozent schwerbehindert, kann die Wissenschaftlerin (in Bosnien arbeitete sie als Professorin für Deutsch und englische Geschichte) kaum laufen. Für Arztbesuche oder Einkäufe nutzt sie ihr Elektromobil: „mein AOK-Chopper“.

Der stand seit Mittwoch mit leerer Batterie vor der Haustür an der Goldhammer Straße: Die Stadtwerke hatten Silvana Hagemann den Saft abgedreht. Seit August hat sie die 50-Euro-Monatsabschläge nicht überwiesen. „Meine Krankheit hat sich nochmals verschärft. Ich war total am Ende, schwer depressiv und weder körperlich noch seelisch in der Lage, mich um meine Angelegenheiten zu kümmern“, schildert die geschiedene Mutter eines 22-jährigen Sohnes.

„Bis dahin habe ich das Geld zusammen“

Vor vier Wochen lag die erste Mahnung im Briefkasten, ohne dass Silvana Hagemann reagiert hätte, „reagieren konnte“, wie sie beteuert. Vor einer Woche meldeten sich die Stadtwerke erneut: diesmal mit der Ankündigung, am 4. Dezember den Strom zu sperren, wenn bis dahin nicht 239 Euro (vier Abschläge plus „Sperr- und Wegekosten“) beglichen sind.

Jetzt endlich wurde die Kundin aktiv. Sie rief bei ihrer Krankenkasse an. „Die sprachen mit den Stadtwerken, machten darauf aufmerksam, dass ich als Schwerbehinderte allein wegen des Elektromobils auf Strom angewiesen bin. Aber das interessierte niemanden. Es hieß nur: Wenn die Kundin nicht zahlt, können wir nichts machen“, berichtet Silvana Hagemann.

Zwar habe sie angeboten, ihre Schulden bis 11. Dezember zu zahlen. „Bis dahin habe ich das Geld zusammen.“ Gleichwohl gingen am 4. Dezember die Lichter aus. Die Batterie des Elektromobils war bald ebenso leer wie der abgetaute Kühlschrank und der Handy-Akku. „Ich bin hilflos. Ab dem frühen Abend sitze im Dunkeln. Und das mit meinen Depressionen.“

Ruf nach „Menschlichkeit“

Ihr Ruf nach „Menschlichkeit“ wird erhört. Auf Vermittlung der WAZ kündigten die Stadtwerke am Freitag an, den Zähler noch am Nachmittag zu entsperren. „Es ist ein besonderer Härtefall“, begründet Sprecher Kai Krischnak.

Ihr „AOK“-Chopper konnte am Abend wieder aufgeladen werden. Zum 2. Advent steht Silvana Hagemann wieder im Licht.