Bochum. . Etwa 50 Schrottimmobilien gibt es nach Erkenntnissen der Stadt in Bochum. Auf ihren Zustand hat die Verwaltung kaum Einfluss. Der Ärger über darüber ist nicht nur bei den Nachbarn solcher Immobilien groß. Politik und Verwaltung sind sich einig: Wir brauchen mehr Eingriffmöglichkeiten.
Die rot-weiß gestreiften Reiter gehören längst zum Straßenbild. Bürgersteig und zum Teil auch die Straße sind auf der Dannenbaumstraße in Höhe der Hausnummern 30 und 34 abgesperrt. Eine Verkehrssicherungsmaßnahme vor zwei herunter gekommenen Häusern. Schrottimmobilien machen den Städten immer mehr zu schaffen. Auch in Bochum, das Baudezernat führt eine Liste mit momentan etwa 50 Gebäuden, die unter diese Kategorie fallen; in ganz NRW sollen es etwa 225 sein, wie die Enquete-Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel“ in ihrem Abschlussbericht feststellt. Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser gehören dazu ebenso wie Wohntürme.
In der Bochumer Hustadt plagt sich die Stadt seit langem mit einem Immobilienfonds, der 200 Wohnungen oder mehr sein eigen nennt, mit diesem Eigentum aber offenbar nicht ordentlich umgeht. Die Bauordnung hat eingegriffen, zum Teil Sperrungen vorgenommen. „Aber es gibt nicht einmal eine Postadresse in Deutschland dieses Immobilienfonds aus Irland“, sagt Baudezernent Ernst Kratzsch. Will sagen: Solchen Eigentümern ist schwer beizukommen. Eine Ersatzvornahme ist nicht nur rechtlich bisweilen schwierig. Die Frage ist auch, ob die Kommune für getroffene Maßnahmen ihr Geld wieder sieht.
Bauvoranfrage ist eingegangen
Was wohl auch andernorts gilt. An der Dannenbaumstraße wächst hinter den verfallenen Häusern ein kleiner Birkenwald. Und vorne, so Anwohnerin Liesel Riechmann, hätten es gerade die Beschäftigten der Behindertenwerkstatt Altenbochum schwer, wenn sie mit dem Bus zur Arbeit kommen und zu Fuß an der Absperrung vorbei müssen. „Ich verstehe nicht dass man da nix machen kann. Das ist eine Schande.“
Viele Leerstände, große Mieterhöhungen
Stark steigende Mieten und eine Unterversorgung mit Mietwohnungen sind in vielen deutschen Großstädten an der Tagesordnung. Im Ruhrgebiet sieht das vielfach anders aus. Vor allem Leerstände und drastische Mietsteigerungen nach Modernisierungen bereiten etwa in Bochum große Probleme, so Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum im Rahmen der Podiumsdiskussion des Mieterforum Ruhr.
Zumal: Die Mietsteigerungen bei energetischen Sanierungen übersteigen häufig die erzielbaren Energieeinsparungen. Damit saniert wird, aber nicht zu Lasten der Mieter, müssen mehr Fördermittel her (Christian Haardt) bzw. der soziale Wohnungsbau wieder belebt werden, wie die Bochumer Piratin Christina Worm fordert.
Und: „Wir müssen überlegen, wie wir mehr Kapital für den Wohnungsmarkt mobilisieren“, sagt FDP-Landtagsmitglied Holger Ellerbrock. Wer dieses Kapital bereit stellen soll? Am besten nicht-gewinnorientierte Unternehmen wie Genossenschaften oder städtische Wohnungsgesellschaft, so der Dortmunder Wissenschaftler und Immobilienexperte Sebastian Müller. Denn: „Immobilienfonds geht es nicht um die Versorgung mit Wohnungen, sondern um das Geschäft mit Wohnungen.“ Auch deshalb steht die Forderung: „Wir müssen die Kommunen stärken, damit sie besser gegen Schrottimmobilien vorgehen können“, so die Bundestagsabgeordnete Bettina Herlitzius (Die Grünen) von den Grünen.
Immerhin zeichnet sich nach vielen Jahren des Verfalls offenbar eine Lösung ab. „Der neue Eigentümer hat eine Bauvoranfrage gestellt“, sagt Baudezernent Kratzsch. Es gehe um eine kombinierte Nutzung von Wohnen und Handel. Manchmal dauere es lange, bis Lösungen gefunden werden. „Das war beim Hotel Eden auch so.“
Lösungen herbei führen können die Städte selbst selten. Auch in Bochum ist von „weitgehender Machtlosigkeit“ die Rede, wie Stadtplaner Ralf Böhler im Mai gegenüber der WAZ einräumte. Über alle Parteien hinweg herrscht daher Einigkeit: „Wir brauchen ordnungsrechtliche Möglichkeiten, um einschreiten zu können“, sagte Bochums CDU-Chef Christian Haardt (MdL) und sah sich bei einer Podiumsdiskussion des Mieterforum Ruhr in den Verdi-Räumen an der Universitätsstraße in einer ungewöhnlichen Allianz unter anderem mit dem Kölner Hans Günter Bell (Die Linke). Der hatte gefordert: „Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, gegen Miethaie vorzugehen.“
Diskussion über Eigentumsrechte in der Stadt
Bochums Baudezernent Ernst Kratzsch sagt, welches Instrumentarium helfen würde: „Wir brauchen einen Stempel im Grundbuch, der uns garantiert, dass wir alle Aufwendungen, die wir aus Gründen der Sicherung oder um ein Gebäude wieder bewohnbar zu machen, bei einer Veräußerung wieder erhalten.“ Derweil nehme er in der Stadt „eine lebhafte Diskussion im politischen Raum“ um diese Problematik wahr. Es gehe darum, in wieweit in Eigentumsrechte eingegriffen werden kann und darum, Geld für den Kauf von Immobilien zur Verfügung zu stellen, die saniert und wieder an den Markt gebracht werden sollen. Kratzsch: „Dazu braucht man Partner, zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften, und ein Konzept.“ Am Ende soll die Stadt schließlich nicht auf einem Haufen schrottreifer Immobilien sitzen bleiben.