Bochum. Wenn die Fahrerin oder der Fahrer einer Straßenbahn oder einen Linienbusses der Bogestra nach einem Unfall Hilfe braucht, ist der Erstbetreuer zur Stelle. Er checkt auch ab, ob professionelle psychologische Hilfe hinzugezogen werden muss. Am konkreten Fall wird klar, wie es funktioniert.
Es war in der Frühschicht hinter der Haltestelle Brenscheder Straße. Uwe Ott (52) fuhr die U-Bahnlinie 35 Richtung Hauptbahnhof, als eine Autofahrerin nach links über die Gleise als Geisterfahrerin in Richtung Sheffield-Ring abbog. Ott kam in diesem Moment mit der 40- Tonnen-U-Bahn und erwischte die Autoseite. „Die Frau hat Glück gehabt, dass die Anhängerkupplung der U-Bahn etwas schräg am Auto entlang schepperte“, berichtet er.
Es war sein erster Unfall, seit er 1991 als Straßenbahnfahrer bei der Bogestra angefangen hat. „Für mich war das Schlimmste: Es war ein Kindersitz drin“, schildert Ott. Er erinnert sich, während er die Leitstelle per Funk informiert habe, hätten sich andere Autofahrer um die Frau im Wagen gekümmert.
Für Ausnahmesituationen geschult
Die Leitstelle alarmiert bei Unfällen oder Zwischenfällen, je nach Sachlage, außer Feuerwehr und Polizei, auch den Erstbetreuer der Bogestra. Insgesamt gibt es vier Erstbetreuer, die sich um das Wohlergehen ihrer Kollegen kümmern. „Ich versuche, der erste an einer Unfallstelle zu sein, um dem Fahrer oder Kundenbetreuer zur Seite zu stehen. Das betrifft aber nicht nur Unfälle, sondern auch Zwischenfälle, wenn zum Beispiel Kollegen angegriffen werden“, berichtet Kai Bruder (40).
Seit 1989 arbeitet er als Automobilmechaniker bei der Bogestra und ist seit etwa drei Jahren als Erstbetreuer im Einsatz. Die Erstbetreuer gibt es seit Mitte der 90er Jahre. Sie werden intern und von der Berufsgenossenschaft für die Ausnahmesituationen geschult. „Wir sichern vor Ort Privatgegenstände des Kollegen, weil die oft vergessen werden und bringen ihn vom Unfallort weg, meistens in einen unserer Aufenthaltsräume. Dort reden wir in Ruhe mit ihm“, erklärt Bruder. Einfache aber hilfreiche Utensilien bei Einsätzen seien eine Flasche Wasser und Gummibärchen, sagt Bruder.
Prävention zur Vermeidung traumatischer Folgen
„Es ist ein präventives Angebot, um traumatische Folgen zu vermeiden“, ergänzt Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann. Ziel sei es, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit bald wieder aufnehmen können. In Einzelfällen könnten betroffene Kollegen den Dienst aber auch nicht wieder antreten, räumt er ein.
Bruder kümmerte sich 2011 nach dem Unfall um Uwe Ott: „Herr Ott war sehr blass und redetet ein wenig verwirrt. Er erwähnte den Kindersitz und die Frage, ob er noch etwas hätte machen können“, schildert Bruder. Obwohl weder der Autofahrerin etwas Schlimmes zugestoßen ist, noch ein Kind im Kindersitz saß, knackte Ott an dem Unfall. Darum vermittelte Bruder den Kollegen weiter an die interne Sozialberatung. Diese sorgt für schnellstmögliche psychologische Behandlung. Für Uwe Ott ging es gut aus. Er machte nach rund zehn Tagen eine abschließende Konfrontationsfahrt und konnte den Unfall ad acta legen.