Bochum. Holzbett, Couch, Schreibtisch, WC mit Dusche: Das Zimmer im Dachgeschoss ist klein, etwas verwohnt und hat keinen Fernseher, entspricht aber durchaus einer 2-Sterne-Herberge. Hier könnte ich mich im Hotel wähnen – wenn an der Tür nicht die Aufschrift „Pilgerhalle 7“ prangen würde. Gute Nacht, Bochum. Ich geh’ ins Kloster.

Bevor das Zisterzienser-Kloster an diesem Wochenende sein 25-jähriges Bestehen feiert, habe ich mich nachmittags in einem der 15 Gästezimmer in Stiepel eingerichtet. Jährlich 1200 Menschen suchen hier Ruhe und Einkehr: „Von der gestressten Hausfrau über den Studenten, der an seiner Diplomarbeit schreibt, bis zum Manager mit Burnout“, schildert Pater Pirmin Holzschuh, Vorsteher (Prior) der 13 Mönche. Neben der kommoden Unterkunft sorgt sein Anblick für die zweite Überraschung. Der 45-Jährige ist derart smart und gutaussehend, dass er locker als Filmschauspieler durchgehen würde.

Kaum eine Stunde hier, zerbricht sogleich Klischee Nummer 3: Die Klosterbrüder (der jüngste 23, der älteste 70) sind alles andere als verknöcherte Eremiten. Freundlich, zugewandt, fast freundschaftlich begegnen sie mir in ihrem schwarz-beigen Habit beim Rundgang durch das Anwesen.

Jeder Tag ist streng strukturiert

Im Speisesaal kommt Fotograf Ingo Otto und mir ein Privileg zu. Was Gästen gemeinhin versagt bleibt: Wir dürfen im Kreise der Mönche zu Abend essen. Brot, Käse, Obst, Wurst, Koteletts und Wasser werden gereicht. Alles schweigt. Einer der Brüder hält eine Lesung. Wir nehmen Anteil am Leben und Tod des Karl Leisner, ein Märtyrer der katholischen Kirche. Ausnahmsweise wird Sekt serviert. Aus dem Mutterkloster Heiligenkreuz in Österreich ist ein Mitbruder angereist. Alkohol im Kloster? „Ist in Maßen nicht verboten. Sonntags gibt’s Wein zum Essen. Am Abend gönnt sich mancher ein Bier“, betont Pirmin Holzschuh. Auch Handys sind erlaubt.

So entspannt, wie es der flüchtige Betrachter meint, ist der Alltag aber keineswegs. TV und Internet gibt es nur im Gemeinschaftsraum. Jeder Tag ist streng strukturiert. Aufstehen um 5. Halbe Stunde Bibelstudium im Zimmer. Von 6 bis 8 Uhr Heilige Messe, Morgenlob und Gebete in der St. Marienkirche. Einfaches Frühstück. Arbeit im Büro, im Klostergarten (mit Schafen und Bienenstöcken) und Vorbereitung auf die Predigt. 12 Uhr erneut Gebete und Gesang. Anschließend Mittagessen, zubereitet von einem der Mönche. Danach wieder Arbeit. Ab 18 Uhr Vesper in der Kirche. 18.30 Uhr Abendessen. 19.45 Uhr letztes Gebet. Kurz nach 20 Uhr Silenzium. Stunde für Stunde. Tag für Tag. Ein Pensum, das nur schafft, wer sich voll und ganz dem Glauben und der Frömmigkeit hingibt. Alle irdischen Güter abgibt. Alles, auch die Liebsten, zurücklässt.

Preiswerte Tage des Friedens

Das gelingt nur wenigen. „Pro Jahr haben wir 15 Anwärter für unseren Orden. Einer übersteht die Probezeit“, sagt Pirmin Holzschuh. Es ist kurz vor der Abendmesse. Wieder hallen die gregorianischen Gesänge durch das Kirchengewölbe, belauscht von 15 Gläubigen. Als Gast spüre ich Wärme, Geborgenheit, genieße die hohen, klaren Stimmen, abseits jeder Spiritualität.

Zur Tagesschauzeit endet der Tag. Ab unters Dach in meine „Pilgerhalle 7“. Gewohnt, nicht vor Mitternacht zu Bett zu gehen, habe ich reichlich Lesestoff mitgenommen. Doch es scheint, als zeige der klösterliche Einfluss Wirkung. Gegen 21 Uhr schlafe ich ein. Tief und fest, sodass es wenig Mühe bereitet, in aller Herrgottsfrühe aufzustehen, als die Morgenmesse eingeläutet wird.

Nach dem Frühstück heißt es Abschied nehmen. Bald hat mich der ganz normale Wahnsinn wieder. Möglich, dass ich zurückkehre. Als Klosterbruder bin ich untauglich. Aber Tage des Friedens, des Zusichselbstfindens sind lohnend. Holzbett, Couch, Schreibtisch, WC, Dusche: 26,50 Euro mit Vollpension sind ein christlicher Preis dafür, dem lieben Gott ganz nah zu sein.