Bochum. Im Circus Casselly in Bochum proben behinderte und nicht behinderte Kinder für eine gemeinsame Vorstellung. Das inklusive Projekt findet zum zehnjährigen Jubiläum des Vereins „Menschen(s)kinder“ unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz statt.
Terriermischling Lucky wartet auf seinen Flugeinsatz. Noch ist es nicht soweit. Denn Daniela Kaselowsky, Zirkustochter der siebten Generation, bringt erst vier Kinder in eine Reihe. An erster Stelle sitzt Lennart (15). Er ist schwerst mehrfach behindert und Betreuer Jan Höppner hilft ihm, den ersten Reifen in der Reihe hoch zu halten. Und dann:„Hepp!“ Lucky setzt an, rennt los, hebt ab und fliegt durch die Reifen. Das Publikum klatscht frenetisch. Nummer geglückt.
Auch die Zuschauer bei dieser ersten Zirkusprobe am Montag im Circus Casselly sind Kinder mit und ohne Behinderung. Das Projekt des Vereins Menschen(s)kinder, der ein Zusammenschluss von Eltern von Kindern mit Handicap ist, wurde in Kooperation mit dem St. Vinzenz Kinderheim in Bochum organisiert. Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz hat die Schirmherrschaft übernommen und die Stadt stand organisatorisch zur Seite.
„Keine Sponsorenparty“
Es nehmen 25 behinderte Kinder teil und 30 Kinder, die im St. Vinzenz intensivpädagogisch betreut werden, es ist ein inklusives Zirkusprojekt. Anlass ist das 10-jährige Jubiläum von Menschen(s)kinder. „Wir wollten keine große Sponsorenparty veranstalten, sondern etwas für die Kinder machen“, sagt Diana Stricker, erste Vorsitzende der Elterninitiative vor dem Zirkuszelt am Bismarckturm. Obschon die Sponsoren keine geringe Rolle gespielt haben, um die nötigen 30 000 Euro für das Jubiläumsgeschenk an die Kinder aufzubringen.
Mit Zirkusfamilie Kaselowsky aus Bielefeld fand die Elterninitiative einen erfahrenen Partner. Der Projekt-Zirkus wurde 2009 von der Bezirksregierung Arnsberg für die zirkuspädagogische Arbeit zertifiziert. Dabei sieht Alois Kaselowsky, Zirkusdirektor und Vater von acht Töchtern, in der Arbeit keinen allzu großen Unterschied zwischen Kindern mit oder ohne Handicap: „Wir schauen spontan, was geht und was nicht, es ist ein Herz-Bauch-Gefühl. Auch die Kinder ohne Behinderung sind nicht für alles gleich gut geeignet“, sagt er.
Eine wertvolle Erfahrung
Sowohl für die behinderten Kinder aus der Ferienbetreuung von Menschen(s)kinder als auch für die Kinder des St. Vinzenz bietet das Projekt wertvolle Erfahrungen. „Hier stehen die Kinder im Mittelpunkt. Es tut ihrem Selbstwertgefühl gut“, befindet Stricker. Generell gebe es für Kinder mit Behinderung zu wenig Freizeit- und Ferienangebote, so dass sie häufiger alleine zu Hause seien als ihre gesunden Altersgenossen, erläutert sie.
Sabine Lorenz, Gruppenleitung der intensivpädagogischen Familienhilfe im St. Vinzenz, beobachtet und stellt fest, wie konzentriert die Kinder auch das Probengeschehen verfolgen. „Unsere Leonie zum Beispiel ist sonst oft unruhig und kann kaum still sitzen, hier verhält sie sich ganz anders. Da sieht man wieder, dass Kinder bei den richtigen Angeboten mehr Konzentration aufbringen können, als ihnen häufig zugetraut wird“, so Lorenz. Die Faszination für den Zirkus und seine Pferde, Ziegen und Tauben ist in die Gesichter geschrieben, auch dank des engagierten Teams mit den Kaselowsky-Zirkusschwestern.
Zauberhafter Zirkus
Gerade helfen sie den Kinder dabei, alle Tauben auf ein kleines Metallkarussell zu setzen. Dann beginnt es die Fahrt. Ein Raunen geht durch das Zelt – so zauberhaft sieht es aus.