Bochum. Die Bochumer Tafel unterstützt jeden Tag mehr als 1000 bedürftige Menschen und hat sich zu einem Sozialunternehmen entwickelt. WAZ-Leserbeirat Dietmar Vogtsprach mit Manfred Baasner (69), Leiter und Gründer der Tafel, deren Keimzelle und Zentrale in der Laubenstraße in Wattenscheid ist.

Herr Baasner, wenn ich eine Fee wäre und ich würde Ihnen die Möglichkeit geben, mit Ihrem Wissen von heute über die Gründung der Tafel noch einmal neu zu entscheiden, würden Sie dies tun?

Manfred Baasner: Ich würde es sofort wieder so machen. Der Bedarf ist da, sogar noch viel stärker als früher. Es gibt viel Armut in Deutschland, nur das wird von vielen leider nicht wahrgenommen. Es gibt zahlreiche Schüler, die haben kein Pausenbrot. Viele Kindergärten sind auf unsere Hilfe angewiesen. Und immer mehr alte Menschen brauchen dringend Unterstützung. Wir erreichen jede Woche mehr als 8000 Menschen mit unseren Hilfen. Unser Ansatz dabei ist, uns um den ganzen Menschen zu kümmern, nicht nur um den hungrigen Magen.

Ist die steigende Altersarmut auch ein Thema, das sich auf die Tafel auswirkt?

Baasner: Wir haben uns als eine der ersten Einrichtungen um die Altersarmut gekümmert, haben das Thema über die Medien und die Politik publik gemacht. Und die Zahl alter, bedürftiger Menschen wird in Zukunft rasant steigen. Auch als eine Folge der tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt mit einer zunehmenden Zahl von Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden und später dann wenig Rente bekommen. Man kann ganz schnell in die Armut abrutschen. Die Notwendigkeit von Tafeln wächst zunehmend.

Finden Sie genug Mitstreiter?

Baasner: Es gibt 400 Menschen aus allen Altersklassen, die sich in den Stadtteilen für unsere Tafel engagieren – mit ihrem Know-how und ihrer Arbeitskraft. Die meisten davon ehrenamtlich. Auch nachts und sonntags. 14 Fahrzeuge sind mittlerweile im Einsatz, um Lebensmittel und andere Waren abzuholen oder wegzubringen. Viele Geschäfte unterstützen uns mit Sachspenden. Man bekommt Tränen in den Augen, wenn man sieht, was alles so weggeschmissen wird. Die Geldspenden sind dagegen rückläufig.

Was bedeutet Ihnen die Tafel persönlich?

Baasner: Sie bedeutet mir auch persönlich sehr viel. 1998 habe ich, damals erkrankt, mit viel Herzblut mit dem Aufbau der Tafel begonnen. Ein ganz neuer Lebensabschnitt hatte sich damit für mich entwickelt, mit neuen Aufgaben und Perspektiven.

Mir war bis zu meiner Möbel-Spende nicht bekannt, dass auch solche Spenden, also nicht nur Nahrungsmittel, von der Tafel gern genommen werden...

Unsere Tafel hat sich stetig weiterentwickelt und ist die größte in Deutschland. Wir bieten viel an, das reicht vom sozialen Warenhaus über die Sprachschule bis zur Lebensmittelverteilung.

Welche Wünsche haben Sie, welche Probleme gibt es?

Baasner: Der Glaube, dass es Armut in Deutschland gibt, ist in unserer Überflussgesellschaft leider nicht sehr akzeptiert und verbreitet. Ich sehe tagtäglich, dass es anders ist. Gut wäre, wenn wir in den Stadtteilen noch mehr Verteilstellen in kirchlichen Gemeindehäusern einrichten könnten, um so den Andrang in den bestehenden Ausgabestellen zu reduzieren und die Hilfen stärker dezentral anbieten zu können. Hier an der Laubenstraße zum Beispiel warten die Menschen teilweise zwei Stunden.