Bochum. . Breite Unterstützung für die Opelaner, harsche Kritik an den „Vollversagern in Nadelstreifen“. 18.000 Menschen gingen am Sonntag in Bochum auf die Straße, um den Arbeitern im Opelwerk Solidarität zu versichern.
Und dann kommt dieser unplanbare, goldene Moment, der in einer einzigen Szene verdichtet, wie groß das Thema Opel für Bochum ist. Gerade hat Ottilie Scholz auf der schwarzen Bühne geredet, „so kann man nicht mit den Beschäftigten umgehen“, hat sie etwa gerufen. Nun tritt sie ab, immerhin die Oberbürgermeisterin – und in dieser Sekunde kündigt Moderatorin Sabine Reich den Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel so an: „Und nun darf ich Ihnen den Mann vorstellen, den Sie alle kennen!“
So groß ist das Thema Opel für Bochum. Sonntag nun, das Solidaritätsfest. Es beginnt am Morgen vor dem Rathaus, etwas schütter noch besucht; es beginnt ein Tag mit Niesel, Eis und kalten Füßen.
Im Lauf der Stunden jedoch wird dieses Fest aufblühen, wird es voll vor der Bühne, und an den Rändern ist ständiges Kommen und Gehen: Rollen die Katholischen Arbeitnehmer ihre schwarz-orangefarbenen Fahnen ein, biegt schon ein Knappenverein ums Eck, und während die Maischützen abmarschieren, steigt Hennes Bender aus der U-Bahn, derweil die 200 Fahrer aus dem Motorradkorso ledernd Suppe fassen gehen und eine Delegation vom Daimler kommt und geht. Und die Symphoniker auf der Bühne spielen. Sie spielen die „Fanfare für einen einfachen Mann“.
„Vollversager in Nadelstreifen“
„Wir hoffen auf Aufmerksamkeit für uns“, sagt einer von denen, Axel Czyminski: „Und auf Solidarität.“ „Nokia, Steilmann, Opel, weil überall Vollversager in Nadelstreifen das Sagen haben“, sagt ein Betriebsrat aus einem anderen Unternehmen: „Wenn ich in meinem mittelständischen Betrieb namens Familie weniger Geld habe, kann ich auch nicht die Frau erschießen, um Kosten einzusparen.“
All dies hätte Opel sich sparen können. Doch die Feier zum 50-Jährigen des Bochumer Werks, journalistische Handelsklasse D, hatte die Firmenleitung im Herbst in ihrer anhaltenden Unbeholfenheit abgesagt, wohl aus Angst vor Protesten. Dafür hat sie sich nun eine eingehandelt, geplant von Betriebsrat und Gewerkschaft, über die in ganz Deutschland berichtet wird. Dumm gelaufen, wieder mal (und wo wir gerade dabei sind, nehmen manche auch Anstoß am neuen Opel Adam. Adam ist nicht nur ein Auto. Adam heißt: Mensch).
Gewaltiger Andrang beim Solidaritätsfest
18.000 Besucher zählt die Polizei im Lauf des Tages. Nicht nur hier auf dem Platz, sondern noch tief in die Stadt hinein, tief Richtung Bahnhof, wo das ganze organisierte Bochum Stände aufgeschlagen hat: VfL und Bogestra, Kinder- und Jugendring, Tierschutzverein, Post; MLPD und KAB stehen einander direkt gegenüber, sogar CDU und CDA nebeneinander, IG Metall, IGBCE, die Grünen, die Linke – und die IHK hat dazu die Protestplakate gedruckt. „Wir bleiben Bochum“, mit dem Opel-Blitz im „O“, hängt groß am Rathaus und am Boulevard – und kleiner in Fenstern und Türen.
Geht man noch weiter Richtung Bahnhof, dann steht da plötzlich die ruhmreiche Vergangenheit einer Firma, die mal mehr Autos verkauft hat als VW – man kann es kaum glauben. Da stehen die großen Alten, Ascona und Admiral, Commodore, Manta . . . „Ein bisschen schwierig bei dem Wetter“, sagt Horst Heming, der gerade aus einem Kadett A Coupé von 1965 steigt. Sonst steht das Auto in der Garage, ist abgedeckt und kommt im Winter eigentlich gar nicht raus, aber „es geht ums Werk“, sagt Heming, der Coesfelder.
Einenkel bringt es auf den Punkt
Hier ist es ein Straßenfest, vor der Bühne ist es aber wieder Arbeitskampf. „Wir haben Zeit gewonnen für belastbare Pläne, damit nie ein Opelaner das Arbeitsamt von innen sieht“, ruft Eva Kerkemeier, die IG-Metall-Chefin. Und Einenkel, der Mann, den alle kennen? Sagt „Solidarität ist unser Zaubertrank“. Und: „Wir nehmen heute ganz viel davon zu uns.“
Großer Beifall für Einenkel. Nachher werden Darsteller aus dem Schauspielhaus auf dieser Bühne noch Ausschnitte aus einer aktuellen Produktion zeigen. Aus Hans Falladas „Kleiner Mann – was nun?“. Und mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.