Bochum. . Dr. Ernst Kratzsch ist stinksauer. „Es kann nicht sein, dass Baufirmen etwas einbauen, von dem wir nichts wissen!“, zürnte der Stadtbaurat, als er am Freitag vor der Presse einen Rechtsstreit öffentlich machte, dessen Ausmaße noch nicht abzusehen sind.
Die Stadt beklagt Pfusch beim Kanalbau. Auslöser: eine Warnung der Landesregierung. Auf Baustellen am Niederrhein waren 2012 mit Schwermetallen belastete Materialien entdeckt worden. Anlass für die Baubehörde, im Dezember die stadtweit zehn Kanalbaustellen zu überprüfen. Ergebnis: Auf fünf Baustellen wurden rund 4500 Tonnen offenbar minderwertige Granulate verwendet:
– auf der Gerther Straße (Fertig-stellung des Kanals im Februar),
– Feldsieper Straße (fertig),
– Centrumstraße (fertig bis auf die letzte Decke),
– am Dorneburger Mühlenbach (im Bau) und
– am Springerplatz (erster Bauabschnitt fertig).
Zwar bestehe kein Risiko, dass Fahrbahndecken oder Gehwege absacken. „Es gibt ja keine Hohlräume“, beruhigt Karl-Heinz Ahlbach vom Tiefbauamt. Sehr wohl könne es aber zu Verunreinigungen des Grundwassers kommen.
Falsches Material eingebaut
Fahrlässigkeit oder Betrug: Dr. Kratzsch hält sich mit einer rechtlichen Würdigung zurück. Fakt aber ist: Bauunternehmen, die von der Stadt mit Kanalarbeiten beauftragt wurden, haben bei der Ummantelung der Rohre in 3,50 Metern Tiefe falsches Material eingebaut:
Vertraglich gefordert war, dass die Rohre in Schmelzkammergranulat eingebettet werden. Das wird aus Steinkohle gewonnen und gilt als besonders umweltverträglich.
Schlacke soll in das Grundwasser gelangt sein
Geliefert wurden mit Schwermetallen belastete Schlacken, die bei der Kupfererzeugung anfallen. Die Metalle könnten ausgewaschen werden. Ein Landeserlass schreibt seit 2004 vor, dass die Schlacken nicht in Grundwassernähe ins Erdreich gebracht werden dürfen.
Das, so der Verdacht, ist auf den fünf Baustellen geschehen. Bei Proben wurden bis zu 39 000 Milligramm Zink pro Kilo gemessen. Beim Kohlegranulat liegen diese Werte bei 150 bis 500 mg.
Gutachter sind eingeschaltet
Die Baubehörde hat einen Gutachter eingeschaltet. Er soll binnen drei Wochen untersuchen, ob eine Gefahr für das Grundwasser droht. Muss das Granulat ausgetauscht werden, will die Stadt die Baufirmen haftbar machen, die von ihren Lieferanten möglicherweise selbst getäuscht worden sind.
Bochums Baustellen
Die Strabag AG (Köln) verantwortet die Baustelle am Springerplatz. „Der Vorgang befindet sich in Prüfung. Weitere Angaben können noch nicht gemacht werden“, teilte am Freitag ein Sprecherin auf WAZ-Anfrage mit.
