Bochum. Im Opel-Werk Bochum werden nach 2016 keine kompletten Fahrzeuge mehr produziert. Die Beschäftigten zeigten sich nach der Betriebsversammlung sichtlich schockiert. Als Opel-Vorstand Thomas Sedran ohne Abschied die Betriebsversammlung der Bochumer Opel-Belegschaft verließ, kam es zu einem Zwischenfall hinter der Bühne

Opel stellt die Fahrzeugproduktion in seinem Werk in Bochum mit mehr als 3000 Beschäftigten in vier Jahren ein. Darüber informierte der Vorstand die Mitarbeiter bei einer Betriebsversammlung am Montag.

Trotz intensiver Anstrengungen sei es nicht gelungen, die Situation für die Fabrik zu verbessern. Als Hauptgrund führte Opel den dramatischen Absatzrückgang in Westeuropa und die hohen Überkapazitäten an.

Opel hatte bereits im Juni angekündigt, Bochum eine Galgenfrist bis zum Jahr 2016 zu geben, wenn dort die Produktion des aktuellen Familienwagens Zafira auslaufen soll. Im Gegenzug sollten bis dahin für alle Standorte der hohe Verluste schreibenden General-Motors -Tochter in Deutschland betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden.

Opel-Aufsichtsratschef Stephen Girsky kündigte an, "eine signifikante Zahl" an Arbeitsplätzen im Lagerbereich und einer möglichen Komponentenfertigung in Bochum zu erhalten. Über einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2016 solle mit dem Betriebsrat verhandelt werden.

Zwischenfall nach Opel-Betriebsversammlung

Als Opel-Vorstand Thomas Sedran kurzfristig und ohne Abschied die Betriebsversammlung der Bochumer Opel-Belegschaft verließ, kam es zu einem Zwischenfall hinter der Bühne.

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Ein Vertrauensmann, der Sedran am Verlassen hindern wollte, wurde von zwei Wachmännern des Opel-Vorstands zu Boden geworfen. Das berichten mehrere der rund 2300 Teilnehmer der nicht õffentlichen Versammlung übereinstimmend. Sedran verließ den RuhrCongress durch den Hinterausgang.

Einenkel: Bochumer Werk "mit Absicht" teuer gerechnet

Das rasche Verschwinden empfanden viele Opel-Mitarbeiter als Schlag ins Gesicht. Sener Kortuglu ist seit 23 Jahren im Bochumer Opel-Werk beschäftigt und beschreibt, wie er den Moment erlebt hat: "Wir haben trotz der schlechten Nachrichten Herrn Sedran all unseren Respekt entgegen gebracht. Wenn man dann so behandelt wird, hat das mir Respekt gegenüber seinen Angestellten nichts zu tun."

Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel sprach von einem "entwürdigenden Bild". Trotz der schlechten Nachrichten bleibt Einenkel optimistisch: "Es hat schon viele gegeben, die von dieser Stelle aus gesagt haben, es werden hier keine Auto mehr gebaut werden." Diese seien alle nicht mehr in der Produktion tätig. "Wir werden auch nach 2016 Autos bauen." Und: Das Bochumer Werk sei "mit Absicht" teurer gerechnet worden, als es sei - er sei, sagte der Betriebsratsvorsitzende, entsetzt über das, was in Bochum passiert sei.

Produktionsstop bei Opel in Bochum nicht ausgeschlossen 

Während einige Arbeitnehmer nach Verkündigung der baldigen Schließung schon den Produktionsstop einforderten, rief Einenkel in der anschließenden Pressekonferenz zum besonnenen Handeln auf: "In Bochum arbeiten 4000 Menschen bei Opel. Was diesen Punkt angeht gibt es demnach auch 4000 verschiedenen Meinungen.

OpelWährend der eine die Bänder sofort still stehen lassen möchte, will der andere sie nächste Woche und ein andere im nächsten Monat anhalten. Andere denken, dass das genau das ist, was der Opel-Vorstand will und wir ihnen diesen Gefallen nicht tun sollen."

Kreativität gegen Schließungspläne

Einenkel weiter: "Fest steht: Wir Bochumer sind sehr kreativ, wenn es darum geht, uns gegen Schließungspläne zu stellen. Das werden wir aber nicht alleine tun, sondern mit der Politik und mit der Bevölkerung zusammen. Es wird keinen blinden Aktionismus geben." Am Donnerstag tagt der Aufsichtsrat. Dort soll dann auch das Anhalten der Produktion ausführlich diskutiert werden.

Opel-Azubi Tom Stromberg ist sichtlich berührt: „Ich fand es unglaublich, wie das hier gerade abgelaufen ist. Ich weiß jetzt mit meinen 20 Jahren, dass, wenn ich mal in einer Führungsrolle bin, ich mit meinen Angestellten so nicht umgehen werden. Für Bochum ist die Schließung des Opel-Werks eine Katastrophe“. Kollege Jan Beckmann ergänzt: „Es war abzusehen, dass heute wegen der Schließung eine konkrete Nachricht kommt. Sedran hat die ganze Zeit drum rum geredet. Es wurde nicht auf die Belegschaft eingegangen.“

Können auf dem Werksgelände neue Arbeitsplätze angesiedelt werden? 

Die Arbeitnehmervertretung hatte die Belegschaft des Bochumer Werks für Montag zu einer Betriebsversammlung eingeladen, um über die Pläne des Managements zu berichten. Derzeit sucht noch eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Unternehmens, der Arbeitnehmerbank und der Landesregierung nach Möglichkeiten, um auf dem Werksgelände in der strukturschwachen Region neue Arbeitsplätze anzusiedeln. Dabei wird auch diskutiert, Komponenten für andere Hersteller zu produzieren.

Der Traditionsautobauer leidet wie andere Massenhersteller massiv unter der Absatzkrise in Südeuropa und kann seine Werke kaum auslasten. Deshalb hatte Opel ab Anfang September mehr als 10.000 Beschäftigte an mehreren Standorten tageweise in Zwangspause geschickt. Auch im Januar ist an einigen Tagen Kurzarbeit geplant.

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Seit vielen Jahren liefere das Management von GM eine Hängepartie, schaffe keine Klarheit und habe Opel in Deutschland ein Stück weit diskriminiert. Er setze darauf, dass für die Mitarbeiter eine faire Lösung gefunden werde. Der Staat könne hier allerdings nur flankierend tätig werden, nicht aber grundlegende Strukturprobleme lösen, sagte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister.

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Trotz der Lage will der Opel-Betriebsrat die Feier zum 50-Jahre-Jubiläum von Opel in Bochum am kommenden Samstag, 15. Dezember, nicht absagen. Das erklärte Betriebsratsvorsitzender Rainer Einenkel am Montag. Einenkel weiter: "Wer gedacht hat, dass wir einknicken, der liegt falsch. Unser Motto ist: Jetzt erst recht." Es würden 20.000 Menschen erwartet.