Bochum. . „Wie soll ich das bezahlen?“ Sarah Schneider lebt von 708 Euro Sozialhilfe. Die Stadtwerke stellen ihr 2414 Euro in Rechnung: „Für Gas, Strom und Wasser, wovon ich den geringsten Teil verbraucht habe. Alles nur, weil ich einer Mietergemeinschaft zugestimmt habe.“

Die 28-Jährige hatte doppelt Pech. Vier Jahre lebte sie in einer 48-qm-Wohnung an der Alten Wittener Straße. 2011 stellte sich heraus: Der Eigentümer hatte die monatlichen Abschläge nicht an die Stadtwerke weitergeleitet. Die kündigten an, die Versorgung einstellen zu müssen. Es sei denn, die beiden einzig verbliebenen Mieterinnen im Haus gründen eine „Abnehmergemeinschaft“.

„Diese Regelung schlagen wir immer dann vor, wenn der Vermieter die Zahlungen seiner Mieter nicht abgeführt hat. Dieses Vorgehen ist mit dem Mieterverein abgestimmt. Es geht dabei nicht darum, die rückständigen Beträge einzufordern. Ziel ist es vielmehr, einen neuen Vertragspartner zu bekommen, der den Versorgungsvertrag fortführt“, betont die Sprecherin der Stadtwerke, Heike Paplewski.

Nachbarin steckte Geld in die eigene Tasche

Im Dezember 2011 meldeten sich Sarah Schneider und die Mitbewohnerin als Abnehmergemeinschaft bei den Stadtwerken an. Monatsabschlag: 260 Euro. „Wir verständigten uns darauf, dass ich ab Januar monatlich 70 Euro an die Nachbarin zahle und sie den Gesamtbetrag an die Stadtwerke überweist“, sagt Sarah Schneider.

Am 1. Juni zog sie aus. In ihrer neuen Wohnung an der Bärendorfer Straße erreichte sie alsbald eine Rechnung der Stadtwerke. 2417,70 Euro verlangt der Energieversorger. „Ich konnte es nicht fassen: Wie mein damaliger Vermieter hat auch meine Nachbarin meine Abschläge offensichtlich in die eigene Tasche gesteckt und nicht an die Stadtwerke weitergeleitet“, schildert Sarah Schneider.

Mahnverfahren gegen Schneider läuft

Die 28-Jährige soll nun die kompletten Rückstände bezahlen. Denn: Ihre einstige Nachbarin wohnt inzwischen ebenfalls nicht mehr an der Alten Wittener Straße. „Ihre neue Adresse ist uns nicht bekannt. Wir können sie nicht ausfindig machen“, erklärt Stadtwerke-Sprecherin Paplewski. Der Ärger von Sarah Schneider sei verständlich. Aber: „Sie ist für uns die einzig verbliebene Vertragspartnerin, der wir habhaft werden können.“

Das Mahnverfahren läuft. Mit Zinsen summieren sich die Forderungen inzwischen auf 2514 Euro. Die Stadtwerke lassen gegenüber der WAZ „keinen Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit. Sarah Schneider hat einen Anwalt eingeschaltet. Mit ihrem Vater Wolfgang Wrobbel stemmt sie sich gegen die Zahlung. „Meinen Anteil habe ich geleistet. Es kann und darf nicht sein, dass ich für Kosten geradestehen muss, die ich nicht verursacht habe!“

Miterverein schlägt Vergleich vor

Mit Abnehmergemeinschaften macht der Mieterverein meist gute Erfahrungen. „Sie ermöglichen, dass Mieter bei Rückständen des Vermieters nicht ohne Strom und Gas dastehen“, sagt Rechtsberaterin Sabine Mosler.

Im Fall der WAZ-Leserin erkennt sie ein Mitverschulden der Stadtwerke. Sie hätten Sarah Schneider frühzeitiger darüber informieren müssen, dass die Zahlungen ihrer Vertragspartnerin ausgeblieben sind.

Angesichts der hohen Forderung schlägt der Mieterverein einen Vergleich vor, der Sarah Schneider Luft zum Atmen lässt.