Bochum. . Am Bochumer Landgericht gibt es immer mehr Klagen von Patienten gegen Ärzte und Krankenhäuser. „Die Leute sind kritischer geworden“, sagt Richter Andreas Oligmüller. „Es ist mehr ins Bewusstsein gekommen, dass auch Ärzte Fehler machen.“

Ärztinnen und Ärzte zählen zu den ganz großen Leistungsträgern der Gesellschaft. Aber immer öfter wird ihre Arbeit vor Gericht hinterfragt. Die Anzahl der Klageeingänge am Bochumer Landgericht ist seit dem Jahr 2000 insgesamt deutlich angestiegen. Landeten damals um die 100 pro Jahr auf den Richtertisch, so näherte sich die Anzahl in den vergangenen Jahren trotz Schwankungen der 200er-Grenze. Richter Andreas Oligmüller, der die Arzthaftungsverfahren leitet, sagte am Donnerstag in einem WAZ-Gespräch: „Die Leute sind kritischer geworden. Es ist mehr ins Bewusstsein gekommen, dass auch Ärzte Fehler machen. Die Menschen hinterfragen die ärztlichen Behandlungen heute mehr als früher.“

Oligmüller verweist auch auf Kommunikationsprobleme. „Ich habe den Eindruck, dass man dem Patienten nicht genug in verständlichem Deutsch erklärt, warum möglicherweise Komplikationen aufgetreten sind, womit das zusammenhängt. Viele Kläger sagen, sie seien allein gelassen worden mit ihrem Problem und der Frage, warum das nicht so gut gelaufen ist.“

Die Arzthaftungskammer verhandelt Fälle aus Bochum, Herne, Witten und dem Kreis Recklinghausen. Meist geht es um Unfall- und orthopädische Chirurgie. Auch gynäkologische Eingriffe kommen häufig unter die Lupe.

Erfolgsquote 25 bis 33 Prozent

Die Beweislast liegt beim Kläger. Er muss die Richter überzeugen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. Und dass dieser zu den von ihm beanstandeten Schäden geführt hat. Das ist schwierig. Beispiel Hüft-OP: Ein Patient klagt nachher über Beinschmerzen. Aber selbst wenn ein Gutachter einen Fehler bei der OP feststellt, muss der Patient weiter beweisen, dass der Schmerz auch wirklich von der OP herrührt.

Nur ein Viertel bis ein Drittel der Klagen sind aus Klägersicht erfolgreich, zumindest teilweise.

Ein weiteres Problem für Kläger sind die Kosten. Das Gericht verlangt einen Vorschuss. Bei einem Streitwert von 50.000 Euro fast 1500 Euro. Hinzu kommen Gutachterkosten, oft rund 2000 Euro. Und: Nach Klageeingang gehen in der Regel anderthalb Jahre ins Land, bevor der Prozess beginnt. Und dies nur in erster Instanz.

Trotzdem: Immer mehr hält das vom Klagen nicht ab. Teilweise erklärt Oligmüller dies auch damit, dass sich die „Streitkultur geändert“ habe: „Man sucht immer einen Verantwortlichen. Die Leute akzeptieren weniger, dass auch der schlechte Gesundheitszustand vor einer OP die Risiken einer solchen OP erhöhen kann.“

Die Kammer verhandelt übrigens auch Klagen wegen angeblich falscher Behandlungen bei Tieren. Zurzeit sind zwei Fälle anhängig, bei denen es um teure Pferde geht. In einem Fall werden mehrere 100.000 Euro von einem Tierarzt verlangt.