Berlin. Die 130.000 niedergelassenen Ärzte wollen mit Praxisschließungen und Warnstreiks gegen das aus ihrer Sicht zu magere Ergebnis der Honorarverhandlungen protestieren. Die Streiks sind noch im September vorgesehen.

Patienten müssen sich bundesweit auf lange Wartezeiten beim Arzt oder verschlossene Praxistüren einstellen. Eine Mehrheit von 75 Prozent der 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten sprach sich bei einer Urabstimmung für Praxisschließungen aus, wie Organisatoren am Donnerstag in Berlin mitteilten. Die Mediziner wollen damit gegen die aus ihrer Sicht zu magere Honorarsteigerung protestieren. Kommt es bei einer neuen Verhandlungsrunde mit den Krankenkassen am Samstag zu keiner Einigung, sollen die Aktionen noch im September starten. "Wir sind kampfbereit", sagte der Sprecher der Allianz Deutscher Ärzteverbände, Dirk Heinrich.

Noch höher als die Bereitschaft zu Praxisschließungen fiel die Zustimmung zu Protestmaßnahmen insgesamt aus, für die 96 Prozent der befragten Mediziner votierten. Es war das erste Mal, dass die rund 30 Berufsverbände zu einer solchen Urabstimmung aufgerufen hatten. An der Aktion beteiligten sich den Angaben zufolge knapp die Hälfte aller Mediziner (49 Prozent). "An der enormen Beteiligung innerhalb so kurzer Zeit zeigt sich das hohe Protestpotenzial der Ärzteschaft", sagte Heinrich. Die von den Kassen durchgedrückte Anhebung der Honorare um gerade mal 0,9 Prozent sei eine "Kampfansage an die Praxisärzte".

Vor zwei Wochen waren die Ärztevertreter im Schlichtungsgremium mit ihrer Forderung nach einem Plus von 3,5 Milliarden Euro gescheitert. Stattdessen verständigten sich die Kassenvertreter gemeinsam mit den unparteiischen Mitgliedern auf ein Plus für 2013 von 270 Millionen Euro. Die Ärzte begründen ihre weitaus höhere Forderung nach einer Steigerung um elf Prozent damit, dass es seit 2008 keinen Ausgleich für die gestiegenen Preise und die Inflation gegeben habe.

Erste Nadelstich-Aktionen

Komme es bei den Verhandlungen am Samstag zu keiner Einigung, würden die Verbandsspitzen Anfang nächster Woche über Praxisschließungen noch in diesem Monat entscheiden, kündigte Heinrich an. "Dafür haben wir jetzt nicht nur den Rückhalt, sondern auch das Mandat." Vergangene Woche waren Nachverhandlungen allerdings geplatzt.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, sprach von entscheidenden Gesprächen und appellierte an die Kassenseite, "ihrer Verantwortung gerecht zu werden". Die ambulante Versorgung müsse vor dem Hintergrund des medizinischen Fortschritts und der älter werdenden Bevölkerung zukunftsfest gemacht werden.

Seit dieser Woche laufen bereits erste "Nadelstich"-Aktionen gegen die Krankenkassen. Dabei werden von den Medizinern Anfragen nur noch eingeschränkt beantwortet und Bonushefte nicht mehr abgestempelt. Auch verschickten die aufgebrachten Ärzte Tausende "Protest-Faxe" an die Kassen und ihre Verbände und legten so Telefonleitungen lahm.

Neue Verhandlungen am Samstag

Bei den Verhandlungen am Samstag soll es allerdings nicht um den für den Preis der ärztlichen Leistung entscheidenden Orientierungswert gehen, sondern um eine Verständigung darüber, welche Menge an Leistungen künftig bezahlt werden soll. auch dies wirkt sich auf die Vergütung aus. Der Chef des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, nannte es nicht entscheidend, ob die notwendigen Mittel durch eine Anhebung des Orientierungswertes oder auf eine andere Art und Weise zur Verfügung gestellt würden. Der Ball liege jetzt im Feld der Krankenkassen.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) warnte vor schwerwiegenden Folgen (rtr)