Bochum. .

So viele Kinder und Jugendliche wie nie mussten im vergangenen Jahr aus ihren Familien genommen werden. Von den 258 Fällen waren rund die Hälfte Jugendliche, Säuglinge machen nur einen ganz geringen Teil dieser sogenannten „Inobhutnahmen“ aus. In den vergangenen Jahren hat sich diese Zahl beinahe verdreifacht.

Ruth Piedboeuf-Schaper leitet den Sozialen Dienst beim Jugendamt der Stadt Bochum. Sie sieht verschiedene Ursachen für diesen dramatischen Anstieg. Immer wenn das Jugendamt über Nachbarn, Lehrer, die Polizei oder andere Zeugen davon erfährt, dass ein Kind akut gefährdet ist, setzt ein mittlerweile eingespielter Prozess ein. Grundlage in vielen Fällen ist der § 8a SGB (Sozialgesetzbuch) VIII.

Der "Justin-Effekt"

„Mein Eindruck ist es, dass es zunehmend Familien, oft mit sehr jungen Müttern, gibt, die überfordert sind.“ Dabei komme häufig eine wirtschaftliche Notlage hinzu, die zusätzliche Probleme mit sich bringe, so Piedboeuf-Schaper. Der aktuelle Jahresbericht der Kinder- und Jugendhilfe liefert reichlich Zahlenmaterial zu dieser besorgniserregenden Entwicklung (die WAZ berichtet weiter über das Thema).

Jugendamtsleiter Dolf Mehring spricht vom „Justin-Effekt“, der eine Spitze von stationären Hilfen zur Erziehung etwa in der Bereitschaftspflege hervorrief. Zur Erinnerung: Im Jahr 2005 war der sieben Monate alte Justin in Bochum von seinem Stiefvate rin der Badewanne derart verbrüht worden, dass er an den Verbrennungen starb.

122 Einsätze wegen häuslicher Gewalt

Die Sozialarbeiter erleben vor Ort oft erschütternde Szenen. Eine neue Ursache: Junge Frauen ohne große soziale Bindung gründen eine Familie. Oft kommt der Kontakt zum Vater übers Internet zustande. Die Halbwertzeit solcher Familien ist kurz.

Der aktuelle Bericht gibt eine umfassende Darstellung über die Tätigkeit und Aufgaben des Jugendamtes: Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 1388 Überprüfungen nach dem Prüfverfahren Kindeswohlgefährdung des Sozialen Dienstes durchgeführt. Allein die Polizei meldete 122 Einsätze zur häuslichen Gewalt bei Familien mit Kindern