Bochum. Eine Niere für die Liebe: Ute Busch-Bernard hat ihrem schwer erkrankten Ehemann eine Niere gespendet. Am 21. Juni ist das Ehepaar zu Gast beim WAZ-Nachtforum Medizin in Langendreer.

Jean-Pierre Bernard bekam sein Leben am Nikolaustag 2011 zurück. Es wiegt 200 Gramm, ist bohnenförmig und stammt von seiner Frau. „Ihr“, sagt der 64-Jährige und drückt sanft die Hand seines Schatzes, „habe ich alles zu verdanken.“ „Mit ihm“, sagt sie und blickt ihn zärtlich an, „will ich alt werden.“ Liebe, wie sie tiefer kaum erfahrbar ist. Liebe, die an die Nieren geht.

Das Knappschaftskrankenhaus Langendreer ist eines der führenden deutschen Transplantationszentren. 102 Nieren wurden hier im vergangenen Jahr verpflanzt. Viele Patienten hatten zuvor jahrelang auf ein Spenderorgan gewartet. Fünf, sechs, sieben Jahre. Denn Spenderorgane sind knapp. Bundesweit 8000 Menschen benötigen nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation akut eine neue Niere. Viele sterben ohne den rettenden Eingriff.

Keine Reisen in die Heimat mehr

Auch Jean-Pierre Bernard stand auf der Warteliste. Der Franzose, der mit 17 nach Deutschland ausgewandert war, wird mit Ende 40 von einem schweren Nierenleiden heimgesucht. In den ersten Jahren reicht eine Cortison-Behandlung (durch die er Zucker bekommt). Ab 2010 muss er an die Dialyse. Dreimal wöchentlich, jeweils fünf Stunden. Die Krankheit raubt ihm alles, was seinem Vor-Leben Glück und Zufriedenheit beschert hatte: die Kneipe, die er seit 1980 in der Dortmunder City betrieb, Freundschaften, den Appetit (er nimmt 15 Kilo ab), den Spaß an Reisen in die Heimat; kurzum: die Lust an der Liebe und am Leben, mit der gerade Franzosen so reich gesegnet sind. „Ich war“, sagt Jean-Pierre Bernard, „ein anderer Mensch.“

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Darunter leidet auch Ute Busch-Bernard, mit der er seit 2006 verheiratet ist. Die kräftezehrende Dialyse, erkennt sie alsbald, kann keine Dauerlösung sein. Im Bekanntenkreis gibt es eine Frau, die ihrem Mann eine Niere gespendet hat. Die Diplom-Pädagogin, die bei der Caritas in der Altenarbeit tätig ist, recherchiert im Internet, freundet sich mit dem Gedanken an eine Lebendspende an. Sie ist gesund. Die Blutgruppen passen. Ihre Tochter (24) zweifelt, hat Angst: „Was ist, wenn dir etwas passiert, Mama?“ Doch im Sommer 2011 entscheidet sie sich: Ich helfe meinem Mann. „Nicht nur aus Nächstenliebe“, betont die 54-Jährige im WAZ-Gespräch. Ein gesunder Egoismus habe gleichfalls eine Rolle gespielt. „Ich wollte meinen ,alten’ Jean-Pierre wiederhaben. Wir sind noch jung. Es gibt für uns noch so viel zu erleben.“ Jahrelang auf eine Spenderniere warten? „Das kam nicht infrage.“ „Grandios“, flüstert ihr Mann.

Steinmeiers als Vorbild

Die Steinmeiers liefern ein Vorbild. Aufmerksam verfolgt Ute Busch-Bernard die Berichte über den Politiker, der seiner Frau eine Niere spendete. „Der sah kurz danach wieder kerngesund aus. Das hat mir Mut gemacht.“

Das Projekt Neues Leben nimmt einen mühsamen Anfang. Monate-lang unterzieht sich das Ehepaar Untersuchungen bei Fachärzten. Sie muss sich im Knappschaftskrankenhaus drei Tage durchchecken lassen, ehe Chefarzt Prof. Viebahn endgültig grünes Licht gibt. Die Eheleute kommen in Langendreer in ein Zimmer. Am 6. Dezember wird ihr vormittags eine Niere entnommen und ihm nachmittags eingesetzt. Am Abend ist klar: Die Operation hat geklappt. „Die Niere hat sofort die Arbeit aufgenommen“, freuen sich beide.

Großes Lob für das Knappschaftskrankenhaus

Die nächsten Tage sind schmerzerfüllt. „Uns ging’s richtig dreckig.“ Das Glück über die gelungene Transplantation macht das Leid erträglich. Nach einer Woche darf sie nach Hause. Bei ihm dauert es fünf Wochen. Beide sind voll des Lobes über das Knappschaftskrankenhaus: „Die Ärzte, die Pfleger, die Betreuung: alles erstklassig.“

Ein halbes Jahr später funktioniert die Niere nach wie vor einwandfrei. Jean-Pierre Bernard muss wieder Cortison nehmen. Der Zucker ist zurückgekehrt: „Aber das ist das geringste Übel.

Zurück in den Alltag

„Er ist wieder der Alte“, bestätigt Ute Busch-Bernard. Auch ihr geht es längst wieder gut. „Bis auf die Narbe ist nichts zurückgeblieben.“ Nur eines wurmt sie: „Für die vier Wochen, in denen ich nicht arbeiten konnte, musste ich Urlaub und freie Tage nehmen. Man wird nicht krankgeschrieben. Die Operation macht man ja ,freiwillig’.“

Dennoch bereuen beide nichts. „Es war schwer“, sagen sie. „Aber das Leben ist wieder lebenswert!