Essen. . Isaak Adusei kam aus Ghana, um seinem Neffen das lebensrettende Organ zu spenden. Jetzt hat der sechsfache Vater seinen Job verloren und weiß nicht, wie er die Familie ernähren soll.
Es gibt Geschichten, die hollywoodähnlich tragisch beginnen und gut enden. Die von Steven Adusei gehört nicht wirklich dazu. Der 14-Jährige ist seit seiner Geburt schwer krank. „Schon während der Schwangerschaft haben die Ärzte mir geraten, Steven abzutreiben. Aber ich bin gläubige Christin und konnte das nicht zulassen“, sagt Margaret Adusei.
Als Steven auf die Welt kam, funktionierte von den beiden Nieren nur eine, die Blase arbeitet gar nicht. Was folgte, war ein jahrelanges Pendeln zwischen Ärzten und Krankenhaus. Ein Trauma für den Jungen, das er nur schlecht verarbeitet hat. Er spricht kaum, scheint zurückgeblieben, nimmt keinen Anteil am Geschehen. Vor einem Jahr verschärfte sich die Situation: Auch die zweite Niere, die bislang zu 25 Prozent arbeitete, stellte ihre Funktion ein. „Nur eine Nierentransplantation oder eine Dialyse konnte unseren Sohn retten“, erzählt Vater Samuel Jackson.
„Mein Neffe ist wie mein eigenes Kind"
Die Eltern ließen sich testen, kamen als Spender aber nicht infrage. Ihr Hilferuf erreichte schließlich Isaak Adusei in Ghana. Stevens Onkel dachte nicht lange nach, packte seine Sachen und flog nach Deutschland. „Mein Neffe ist wie mein eigenes Kind. Ihm zu helfen war selbstverständlich“, sagt der sechsfache Vater, den ein starkes Familiengefühl mit seiner in Essen lebenden Schwester verbindet. Nach wochenlangen medizinischen Tests stand fest, dass seine Niere perfekt für Steven ist. Im November 2011 erfolgte im Uniklinikum die Transplantation. Beide Operationen, die Nierenentnahme und die Transplantation, verliefen erfolgreich.
„In solchen Fällen übernehmen wir als Kasse des Organempfängers vollständig die Kosten für die Anreise, den Verdienstausfall und alle medizinischen Leistungen“, erklärt Oliver Hartmann, Regionaldirektor der AOK Essen. Per Gesetz sind die Kassen dazu verpflichtet, wenn Spender und Empfänger übereinstimmen. Außerdem sind im Verhältnis zu einer jahrelangen Dialysebehandlung die Ausgaben gering, selbst wenn der Spender aus weit entfernten Orten anreist. Folgeschäden, die erst nach Jahren auftreten, werden nicht übernommen. „Ein gewisses Restrisiko liegt beim Spender. Doch darauf wird er noch vor der Spende in intensiven Gesprächen aufmerksam gemacht“, weiß Hartmann.
Kommission überprüft die Beziehung zwischen Spender und Empfänger
Auch Isaak Adusei wurde vor der Nierenspende sorgfältig über die Tragweite seines Handelns informiert. „Vor einer Spende klären wir nicht nur die medizinischen sondern auch die ethischen Voraussetzungen“, sagt Gernot Kaiser, Transplantationsbeauftragter der Uniklinik. Eine Kommission überprüft die Beziehung zwischen Spender und Empfänger. „Meist sind es Familienangehörige, die ihre Organe spenden“, sagt Kaiser. Aber auch enge Freunde kommen infrage. Jugendliche Spender, selbst wenn sie bereits 18 sind, werden dagegen abgelehnt. „Sie können die Folgen noch nicht komplett überschauen.“
Nicht vorhersehbar war für Isaak Adusei die Zeit, die er in Essen verbringen musste. Fast ein Jahr lebte er bei seiner Schwester. Jetzt hat der Lkw-Fahrer seinen Job in Ghana verloren. „Wie soll ich meine Familie ernähren?“ fragt er leise. Und so reist die Unsicherheit mit, wenn er diese Woche in seine Heimat zurückfliegt. Doch die Entscheidung, seine Niere für Steven zu spenden, hat er keine Sekunde bereut. Steven selbst kann nichts dazu sagen. Der Junge wird jetzt von der Jugendhilfe betreut. Oberste Priorität ist es, Steven wieder in den Schulalltag einer Förderschule zu integrieren.