Bochum. . Viele Monate nach einem eskalierten Nachbarschaftsstreit in einem Bochumer Mehrfamilienhaus hat am Montag vor dem Landgericht Bochum der Strafprozess gegen eine 43-jährige Wohnungseigentümerin begonnen. Es geht um Pöbeleien und Gewalttätigkeiten.

So einen hässlichen Nachbarschaftsstreit hat Bochum selten oder nie erlebt. Beleidigungen aus dem Gossenjargon, ätzende Verhöhnungen, massive Gewalttätigkeiten und falsche Anschuldigungen bei der Polizei - das sind die Vorwürfe, die seit gestern einer 43-jährigen Wohnungseigentümerin vor dem Landgericht gemacht werden.

Die Streitigkeiten in dem dreistöckigen Mehrfamilienhaus in Weitmar hat bundesweites Medieninteresse gefunden. So nachhaltig ist dieser Hauskrach - und teilweise auch so sarkastisch. Zum Beispiel soll die 43-Jährige, eine Reinigungskraft, in ihrer Wohnung mehrfach das Lied „Dicke“ von Marius Müller-Westernhagen gespielt und laut mitgesungen haben, wenn eine Nachbarin im Flur vorbei ging. Worte wie „Pantoffelheld“ und „fettes Vieh“ soll sie Nachbarn ebenfalls an den Kopf geworfen haben. Rechtsanwalt Tim Illner, der ebenfalls in dem Haus wohnt und viele Nachbarn vertritt, spricht von einem „Terrorregime“, das die Angeklagte (mit ihrer ebenfalls dort lebenden Tochter, 18) geführt habe. Er hat mehrere Unterlassungsklagen bei Gericht erhoben. Sie sind aber noch nicht verhandelt worden. Erst einmal wird der jetzige Prozess vor der 5. Strafkammer abgewartet. Denn dort geht es um viel schwerere Vorwürfe.

Vorwurf: 73-jährige Nachbarin die Treppe heruntergestoßen

- Am 12. Juli 2011 soll die Angeklagten „mit beiden Händen“ eine Nachbarin (73) im Flur die Treppe heruntergeschubst haben. Die Seniorin erlitt einen Trümmerbruch im Ellbogen und einen Haarriss in der Hüfte.

- am 2. November 2011 soll sie bei einer Wohnungsdurchsuchung eine Polizistin in die Hand gebissen haben. Laut Anklage hatte sie sich gegen einen Polizeibeamten mit den Worten gewehrt: „Halt die Fresse, du hast mir gar nichts zu sagen, mir platzt der Arsch.“ Sie habe sich mit Tritten und Schlägen gewehrt.

- am 26. Februar 2011 soll sie in einem Elektro-Geschäft im Streit um den Umtausch einer Leuchtstoffröhre randaliert haben.

- am 25. April soll sie eine Nachbarin (47) beleidigt und wie ein Schwein gegrunzt haben

- am 29. Mai 2011 soll sie bei der Polizei eine falsche Anzeige gegen einen Nachbarn erstattet haben, um diesem Ärger zu machen. Sie habe vorgespielt, von ihm auf dem Balkon darüber mit Schmutzwasser und einem Gegenstand beworfen und auch beleidigt worden zu sein.

Ihr Gesicht versteckte sie vor den Medien mit einer Mappe

Auf der Anklagebank wurde die komplett in Schwarz gekleidete Frau von zahlreich erschienenen Medien fotografiert und gefilmt. Ihr Gesicht versteckte sie hinter einer großen Mappe.

Zum Prozessauftakt erschienen auch einige Nachbarn. Etwa Bärbel Juretzka (47). Sie habe sich mehrfach jenes Westernhagen-Lied anhören müssen, wie sie am Rande des Prozesses sagte - sogar am Tag der Beerdigung ihres Vaters habe sie das ertragen müssen. Die Angeklagte habe auch gegrunzt: „Das hat sie die ganze Zeit gemacht, sobald wir an der Tür vorbei sind.“ Schon im August 2010 habe der Ärger mit dieser Nachbarin angefangen, ohne dass sie ein Motiv erkennen könne. „Ehrlich, ich habe mit ihr nichts zu tun gehabt. Es war nie Unruhe in dem Haus.“

„Bedrohungen waren an der Tagesordnung“

Bereits an ihrer früheren Adresse in Wiemelhausen soll die 43-Jährige für Ärger gesorgt haben. „Sie beleidigte die Leute als Säufer, als Alki“, berichtete ihr damaliger Nachbar Klaus-Dieter Hellinger (68) auf dem Gerichtsflur. „Bedrohungen waren an der Tagesordnung.“ Zum Beispiel: „Gleich kommt unsere Rockerbande, die macht dich platt.“ 25 bis 30 Polizeieinsätze in nur anderthalb Jahren habe es gegeben. Auch an ihrer jetzigen Wohnadresse in Weitmar musste die Polizei vielfach aufkreuzen. Die Anzahl der Anzeigen liegt bei über 40.

Es droht die Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie

Das Gericht entscheidet jetzt nicht nur über eine mögliche Bestrafung, sondern auch darüber, ob die Angeklagte wegen einer gutachterlich diagnostizierten „wahnhaften Störung“ unbefristet in eine forensische Psychiatrie eingewiesen wird. Bereits jetzt sie sie dort vorläufig untergebracht. Laut Anklage könnte sie eine Gefahr für die Allgemeinheit sein. Eventuell sei sie auch schuldunfähig. Auf Antrag von Verteidiger Christoph Zumbrägel wurde die Öffentlichkeit nach der Anklageverlesung ausgeschlossen - bis zum Urteil Ende Juni. Das ist in solchen Verfahren möglich.

Die Angeklagte soll nur teilweise oder gar nicht geständig sein. Bereits kurz vor Weihnachten war sie in U-Haft gesperrt worden.