Bochum. Die Bochumer Kindergärten rufen den Männernotstand aus. In kaum einer Kita werden die Jungen und Mädchen von männlichen Erziehern betreut. „Dabei wäre dies für die Persönlichkeitsentwicklung äußerst wichtig“, weiß Lucia Musbach, Leiterin der „Kinder-Oase“ in Hamme.
Auf 2,5 Prozent beziffert Stefanie Malcherek, Beauftragte für Chancengleichheit des Jobcenters, den Männeranteil in Kitas und Horten. Grund, in den Schulen zu werben. Denn dort, wissen die Arbeitsmarktexperten, hat kaum ein Knabe den Beruf des Erziehers auf dem Schirm. Die Folgen sind in den Berufskollegs sichtbar: „In unseren 30er-Klassen sitzen in der Regel ein bis zwei Jungen. Der Männermangel in dem Berufsfeld ist eklatant“, sagt Bernd Skubinn, Lehrer am Alice-Salomon-Kolleg in Wattenscheid.
Am Donnerstag hatten Schüler aus Bochum und Herne die Möglichkeit, die Arbeit in einem Kindergarten kennenzulernen. Die „Kinder-Oase“ an der Dorstener Straße öffnete ihre Türen. Anlass: der bundesweite „Boys Day“, der Jungen typische Frauenberufe näherbringen soll (der gleichzeitige „Girls Day“ verfolgt das Ziel mit Männerberufen).
"Die Kinder brauchen beide Vorbilder"
Die Boys erschienen durchaus zahlreich. 44 Schüler ließen sich über die anstrengende, aber auch spannende und erfüllende Tätigkeit in einer Kita informieren. Als Werbeträger besonders gefragt war Florian Föcking. Der 24-Jährige, beschäftigt in der Kita St. Paulus in Querenburg, zählt zur raren Gattung der männlicher Erzieher. „So weit ich weiß, bin ich sogar der einzige in Bochum.“ Zum Leidwesen von Oase-Chefin Lucia Musbach, die mit ihrem zehnköpfigen Team 70 Jungen und Mädchen betreut. „Viele unserer Mütter sind alleinerziehend. Daheim fehlt der Vater. Um so wichtiger wäre es, dass die Kinder bei uns nicht nur die weiblichen, sondern auch männlichen Rollenbilder kennenlernen. Die Kinder brauchen beide Vorbilder, mitunter auch als Vaterersatz. Doch: Es gibt kaum Kollegen.“
Die haben großartige Perspektiven, betont Stefanie Malcherek: „Wer als Mann Erzieher wird, muss sich um einen Job keine Sorgen machen.“ Größte Hürde bleibe jedoch die Bezahlung, die der Bedeutung der kindliche Frühförderung in keiner Weise angemessen sei, bekräftigt Skubinn: „Im ersten Berufsjahr gibt’s 1500 Euro. Ein Lehrer verdient das Doppelte.“
Es bleibt noch viel zu tun
Ob der „Boys Day“ den Notstand lindert, ist zweifelhaft. Im Kindergarten arbeiten? „Höchstens als Praktikant. Meine kleinen Geschwister nerven schon genug“, seufzte Sidan Fahmi gestern bei seinem Kita-Besuch. Warum er sich zum „Boys Day“ dennoch Kindergarten ausgesucht hat? „Mein Bruder kommt im Sommer hierher“, grinst der 14-Jährige. „Ich wollte mal schauen, wie es hier so ist.“ Es bleibt noch viel zu tun.
Die dreijährige Ausbildung zum Erzieher kann man mit Hauptschulabschluss, Mittlerer Reife und Abitur antreten. Das Alice-Salomon-Kolleg bietet verschiedene Bildungsgänge an. Infos: bei Stefanie Malcherek vom Job-center, 0234 588 794 63,
E-Mail: stefanie.malcherek@jobcenter-ge.de