Bochum. . Essen auf Rädern: Seit rund neun Monaten tourt Björn Filipi mit einer Frischhaltebox durch Bochum
Zwei Weihnachtssterne halten sich tapfer auf der Fensterbank. Der Linoleumboden in Parkettoptik quietscht unter den Sohlen. Die Küchenzeile ist schlicht und tipptop gepflegt. Björn Filipi betritt die Wohnung seiner ersten Kundin. Die 74-Jährige nimmt ihr Mittagessen mit einem Lächeln entgegen. Für heute hat sie Pflaume mit Grießbrei bestellt --- es ist halb elf.
„Jeden Tag Fleisch muss ja nicht sein“, sagt die Seniorin. Seit elf Jahren lebt sie nun allein. Kochen mag die Witwe längst nicht mehr, „da wird mir nur schwindelig“. Dankbar greift sie auf den Service des „Essen auf Rädern“ des DRK zurück. Ihren Namen möchte sie „nicht so gerne“ in der Zeitung lesen.
„Soll ich es aufmachen?“, fragt Björn höflich. Die Antwort kennt er schon – so wie der Mitarbeiter alle seine Kunden kennt, die er seit rund neun Monaten beliefert. Mit einem Ruck entfernt der 20-Jährige die Plastikfolie der Essenschale. „Die Damen und Herren sind immer so nett zu mir.“ Zeit für einen längeren Plausch bleibt leider selten. Zwölf Kunden gilt es in weniger als zwei Stunden auf der Bochumer Tour zu beliefern. „Das sind 60 Kilometer“; weiß der Fahrer. Das Essen soll schließlich nicht kalt werden.
Der Klassiker: Rinderroulade Hausfrauen Art
Die Warmhaltebox aus Styropor steht auf der Rückbank des Wagens. Für jeden Geschmack ist heute wieder etwas dabei: Vom Essen für Diabetiker, bis hin zu Mini-Portionen für den kleinen Hunger sowie extra kalorienhaltigen Speisen für Kunden, die zunehmen müssen. Ihre Speisen können die Kunden aus einem 90-seitigen Katalog auswählen. Die Preise liegen zwischen 4,30 Euro und 6,70 Euro. Gibt es einen Klassiker? „Absolut. Nummer 221: Rinderroulade Hausfrauen Art mit Salzkartoffeln. Kartoffeln sind eigentlich eh fast immer dabei“, weiß Fahrer Björn.
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In Weitmar parkt er nun vor einem Einfamilienhaus, der Rasen frisch geschnitten, Stiefmütterchen blühen in einem Blumentopf vor der Haustür. „Bei dieser Kundin habe ich den Auftrag, das Essen nur abzustellen.“ Auch sie lebt allein. Warum er nicht hinein darf? „Keine Ahnung, vielleicht hat sie ja eine ansteckende Krankheit.“ Manche möchten aber auch nicht, dass ein Fremder ihre Wohnung betritt. Das respektiert der Fahrdienst. Doch sollte jemand sein Gericht mehr als zwei Tage hintereinander nicht reinholen, nimmt das DRK Kontakt mit den Verwandten auf, erkundigt sich, ob alles in Ordnung ist.
Gesunde Ernährung
"Die sind pünktlich - und es schmeckt"
Björn stellt das Essen brav vor die Tür, klingelt, schwingt sich in den weißen Kleinwagen. Weiter geht es auf der Tour 1 (Tour 2 führt allein durch Wattenscheid) nach Wiemelhausen. Dort gibt es heute in mindestens einem Haushalt Bratenplatte mit Spätzle. „Stell ich auch nur vor die Tür“, erklärt Björn.
Ein paar Straßen weiter hält er vor einem Hochhaus „Der Kunde wohnt in der vierten Etage, ohne Fahrstuhl“, bedauert der DRK-Mitarbeiter und macht sich auf den Weg, nimmt dabei immer zwei Stufen auf einmal. „Hallo“, ruft Björn gut gelaunt durch den Hausflur. An der Wohnungstür fängt ihn ein älterer Herr ab. Er trägt eine blaue Jogginghose, ein helles T-Shirt. Gleich zwei Plastikschalen nimmt der Rentner entgegen: „Es gibt Bratwurst mit Kartoffeln, für mich und meine Frau.“ Warum sie nicht mehr kochen mögen? „Ach, wir sind mit dem Essen hier vollkommen zufrieden“, erklärt der Herr und schließt die Tür, verschwindet samt Mittagsessen in seiner Wohnung.
Eine Seniorin, 76 Jahre aus Stiepel, ihre Wohnung hell und sauber, mit weißen Fliesen, großen Fenstern und einer schönen Glastür, die zum Wohnzimmer führt, bringt es auf den Punkt: „ Ist doch super, dass es so etwas wie Essen auf Rädern gibt. Die sind immer pünktlich – und es schmeckt.“ Ein Kompliment, über das sich so mancher Koch daheim freuen würde.