Bochum. . Die JVA Krümmede soll ein neues Hafthaus erhalten. „Eine Renovierung scheidet vermutlich aus. Die Zeichen stehen auf Neubau“, sagte der kommissarische Leiter Uwe Nelle-Cornelsen am Donnerstag. „Die alte Hütte ist sicherheitstechnisch absolut nicht auf der Höhe.“

Die JVA Krümmede soll ein neues Hafthaus erhalten. „Eine Renovierung scheidet vermutlich aus. Die Zeichen stehen auf Neubau“, sagte der kommissarische Leiter Uwe Nelle-Cornelsen gestern vor der Presse.

„Pannenknast“, „Lachnummer“, „Tage der offenen Tür“, „Bochumer Fluchtkultur“: Hinter der Justizvollzugsanstalt liegen turbulente Wochen. Drei Häftlinge haben allein in diesem Jahr das Weite gesucht. „Und das, obwohl Bochum immer einen guten und soliden Ruf hatte. Es ist wie mit dem VfL: Ein ehemaliger Erstligist ist gewaltig ins Trudeln geraten“, sagt Nelle-Cornelsen (48), kommissarischer Nachfolger des vor zwei Wochen vom Justizminister geschassten JVA-Chefs Friedhelm Ritter von Meißner.

Auch der Ostwestfale hat sein erstes (wie er es nennt) „Vorkommnis“ schon hinter sich. Ein Häftling (31) hatte mit einem Löffel Mörtel aus den Fugen seiner Zellenwand gekratzt. Als ernsthaften Fluchtversuch wertet Nelle-Cornelsen die „schräge Nummer“ nicht. Wohl aber als Bestätigung, dass in der Krümmede einiges im Argen liegt: Der Mörtel-Mann werkelte an einer Außenwand, die wie viele andere mit Bildern, Postern und Fotos versehen war. „Das Geht gar nicht“, staunte Nelle-Cornelsen, ordnete an, dass jeder Wandschmuck sofort zu entfernen ist – und veranlasste damit den Löffel-Ganoven, sein noch überschaubares Zellenloch zu offenbaren.

Brüchiger Putz, verrostete Uralt-Eisenstäbe, Zellen, die der JVA-Chef als „Grotten“ bezeichnet: Die gravierendsten Mängel macht Nelle-Cornelsen im Hafthaus 1 aus, das Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Allein hier sind 450 der 760 Gefangenen untergebracht. „Die alte Hütte ist sicherheitstechnisch absolut nicht auf der Höhe. Es muss dringend etwas geschehen“, fordert Nelle-Cornelsen und setzt auf den Bericht einer Sonderkommission, die Justizminister Kutschaty nach der Ausbruchsserie eingerichtet hatte. Der SoKo-Bericht wird nächste Woche erwartet. „Ich gehe davon aus, dass darin ein Neubau des Hafthauses 1 empfohlen wird.“ Auch eine personelle Aufstockung sei möglich. Derzeit kommt ein Wärter auf zwei Häftlinge.

Sowohl die Gefangenen als auch die Aufpasser seien nach den Ereignissen der vergangenen Wochen und Monate „extrem verunsichert. Den Bediensteten geht ein Ausbruch gegen die Ehre. Sie nehmen das persönlich und fragen sich, wie das passieren konnte“, beobachtet der neue Knastleiter. Veränderte Abläufe, Zellen-Checks und eine (nochmalige) Gefährdungsprüfung der Insassen sollen weiteren Fluchtversuchen vorbeugen und dazu beitragen, „in ruhigeres Fahrwasser zu gelangen“.

Völlige Ruhe kann und will auch der Meißner-Nachfolger nicht versprechen. „Strafvollzug birgt Risiken. Hier sitzen schwere Kaliber und Berufskriminelle ein. Wir haben derzeit 252 Ausländer aus 45 Staaten. Unser Ziel einer Resozialisierung verbietet eine Schließer-Mentalität. Es wird immer etwas passieren.“ Eine moderne Ausstattung sei gleichwohl erforderlich: „Eine Fregatte aus dem 19. Jahrhundert soll eine Schlacht im 21. Jahrhundert schlagen. Da kann man nur verlieren.“