Bochum. Die Firma H+E Logistik ist im Tunnelbau ein Begriff. Weltweit kommt die Fördertechnik made in Bochum auf Großbaustellen zum Einsatz. Zurzeit bei einem 18-Milliarden-Euro-Projekt in London, demnächst in Tibet.

Die größte Baustelle Europas pocht und wummert derzeit in England. 18 Milliarden Euro wird der Bau eines Zwillingstunnels für den Eisenbahnverkehr von Ost nach West unterhalb der Londoner Innenstadt kosten. Das Projekt „Crossrail“ setzt dabei auf Technik „made in Bochum“: Die H+E Logistik GmbH garantiert den reibungslosen Abtransport des Abraums, den acht riesige Bohrköpfe in den kommenden drei Jahren tonnenweise produzieren werden.

Das Unternehmen aus Gerthe ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Bereich der Schüttgut-Fördertechnik und besonders spezialisiert auf den Tunnelbau. „Wir planen, fertigen, liefern und installieren schlüsselfertige Anlagen von wenigen Metern bis zu dreißig Kilometern Länge“, sagt Dirk Huesmann. Der 50-Jährige ist gemeinsam mit Gregor Enneking (55) Geschäftsführer und Namensgeber des 1999 gegründeten Unternehmens H+E.

Rund 4000 Mitarbeiter weltweit

75 Prozent der Gesellschaft gehören indes der Herrenknecht AG (Schwanau), die weltweit im Tunnelbau tätig ist und rund 4000 Mitarbeiter beschäftigt (Jahresumsatz 1,1 Mrd Euro). Die Bohrmaschinen aus Baden-Württemberg gleichen beweglichen Fabriken: Bohren und Tunnel bauen sind eins. In London werden zum Beispiel direkt hinter den Bohrköpfen 250.000 Spezialbeton-Segmente zum Ausbau der Eisenbahnröhren mit einem Durchmesser von mehr als sechs Metern verbaut.

Die Fördertechnik von H+E setzt nahtlos an die Herrenknecht-Maschinen an und transportiert gefrästes Material je nach Bedarf horizontal oder vertikal vom Bohrkopf weg. Keinesfalls nur geradeaus, sondern, falls erforderlich, auch um engste Kurven. Auf den Einsatz von Lkw (Abgase) oder Zügen (Kosten) zum Transport kann innerhalb der gebohrten Strecken dank der Bandanlagen von H+E weitgehend verzichtet werden. Die Fördersysteme wachsen im laufenden Betrieb mit, dazu dienen Zwischenantriebe und große Speicher für die Gurte.

Technik stammt aus dem Bergbau

Die eingesetzte Technik stammt im Wesentlichen aus dem Bergbau. „Unter Tage ist der Einsatz von Tunnelbandanlagen täglich Brot“, sagt Huesmann. Der dreifache Vater startete auf der Zeche Ewald in Herten als Betriebsschlosser ins Berufsleben. „Ich habe klassisch unter Tage geschraubt.“ Später holte er sein Fachabi nach und sattelte an der Technischen Fachhochschule Georg Agricola in Bochum ein Maschinenbau-Studium drauf. Anschließend arbeitete er in der Maschinenfabrik Eickhoff, knüpfte dort als Leiter der Fördertechnik Kontakte zu Herrenknecht.

1999 folgte die Selbstständigkeit, als laut Huesmann der Verkauf von Bandanlagen nicht mehr ins Konzept von Eickhoff passte. Mit seinem Partner Enneking gründete Huesmann auf dem Weg am Kötterberg zuerst „eine reine Denkfabrik“. Der Bau der Anlagen erfolgte vor Ort – häufig mit Partnern. „Wir haben die Systeme in Bochum geplant, Gurte und Stahl dazu gekauft und die Bauteile mit Lkw und Schiffen transportiert“, erinnert sich Huesmann.

48 Millionen Euro Umsatz um Jahr 2011

Schnell standen die Zeichen bei H+E auf Wachstum. Herrenknecht bescherte dem Unternehmen Aufträge in aller Welt. H+E-Systeme kommen nicht nur zum Transport von Abraum oder an gleicher Stelle auch zur Versorgung der Tunnelbaustellen zum Einsatz, sondern dienen auch zur Beförderung von Roh- und Baustoffen - im Bergbau (häufig in den GUS-Staaten), in Zementwerken oder in Häfen.

2011 setzte das Unternehmen 48 Millionen Euro um, für 2012 sind 65 Millionen geplant. „Wir werden weiter wachsen und pro Jahr 25 neue Mitarbeiter einstellen“, so Huesmann. Vor allen Dinge Ingenieure seien gefragt. Die Rendite nach Steuern gibt Huesmann für H+E aktuell mit „fünf bis sechs Prozent“ an.

Der 14 Millionen Euro schwere Großauftrag für das Projekt der Superlative in London ist ein weiterer Meilenstein in der Unternehmensgeschichte. Made in Bochum ist dank H+E Logistik im Tunnelbau mittlerweile weltweit ein Begriff.

1999 begann die Unternehmensgeschichte

1999 startete H+E Logistik mit fünf Mitarbeitern. Heute arbeiten an der Josef-Baumann-Straße 90 Menschen: Statiker, Konstrukteure, technische Zeichner, Maschinenbauer, Verfahrenstechniker, Kaufleute und Controller – und fünf Auszubildende. Hinzu kommen 48 Mitarbeiter am Fertigungsstandort Aschersleben. Dort eröffnete H+E nach Übernahme eines Zulieferers 2010 eine Produktionsstätte, die auch zum Aufarbeiten bereits genutzter Bandanlagen dient. Niederlassungen gibt es mittlerweile auch in Seattle (USA ) und in Nowokusnezk (Sibirien). H+E-Anlagen kamen bei Projekten fast überall in Europa, aber auch in Asien (Dubai), Australien (Brisbane) oder Mittelamerika (Mexiko) zum Einsatz. Die neuesten Aufträge im Wert von 10 Mio Euro sind Bandanlagen für den Tunnelbau für die Metro Toronto, die Metro in Buenos Aires und einen Wassertunnel in Tibet.