Düsseldorf/Bochum. Nach den Ausbrüchen aus der JVA Bochum und einer Kommunikationspanne hat NRW-Justizminister Kutschaty Stellung genommen. Vor dem Rechtsausschuss des Landtags räumte er Fehler ein. Bewusst sei aber nichts heruntergespielt worden.
Sicherheitslücken, Fehleinschätzungen, Kommunikationspannen – die fünftägige Flucht eines polnischen Schwerkriminellen aus der Justizvollzugsanstalt Bochum hat gravierendere Schwachstellen im NRW-Strafvollzug offenbart als zunächst angenommen. Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) musste am Dienstag in einer Sondersitzung des Landtags-Rechtsausschusses einräumen, dass erst jetzt in 15 von 37 NRW-Gefängnissen ein Jahrzehnte alter Baupfusch erkannt und behoben wurde. Gepanzerte Oberlichter seien dort schlecht mit einfachen Aluminiumleisten gesichert und leicht ausbaubar gewesen, so Kutschaty.
Der Pole Krysztof J. hatte am 29. Januar ein solches Oberlicht bei einem Putzgang im Besucherkontrollzentrum des JVA Bochum scheinbar mühelos ausgehebelt und war getürmt. Erst am vergangenen Freitag konnte ihn die Polizei bei einem Ladendiebstahl in Recklinghausen festnehmen. Daraufhin waren sämtliche NRW-Gefängnisse untersucht worden. „Wir sind entsetzt gewesen, als wir erfahren haben, wie diese Fenster verankert sind“, bekannte Kutschaty.
Vorwürfe gegen Anstaltsleitung und Generalstaatsanwaltschaft
Der Justizminister übte zugleich Kritik an der Generalstaatsanwaltschaft Hamm und der JVA-Leitung in Bochum. Er sei „doch sehr verstimmt“ gewesen, so Kutschaty, dass die Generalstaatsanwaltschaft das Bochumer Gefängnis nicht darüber informiert hatte, dass seit August 2011 ein Europäischer Haftbefehl gegen den Polen wegen eines Tötungsdelikts vorlag. Bei einem solchen Tatverdacht hätte der Mann niemals eine der begehrten Vertrauenspositionen in der Reinigungs- und Reparaturkolonne des Gefängnisses einnehmen dürfen.
Aber auch ohne Wissen um den Tötungsvorwurf sei es „nicht glücklich“ gewesen, rügte Kutschaty, dass Anstaltsleiter Friedhelm Ritter von Meißner den entflohenen Häftling der Öffentlichkeit zunächst als „Kleinkriminellen“ verkauft habe.
Kutschaty verspricht umfassende Sicherheitskontrolle
Die Opposition bezweifelte, dass der Häftling den Konstruktionsfehler im Oberlicht zufällig bemerkt habe und das 45 Kilogramm schwere Panzerglas unbemerkt allein aus zwei Meter Deckenhöhe abmontieren konnte. Krystof J. war Mitglied einer fünfköpfigen Putztruppe, die von zwei Wachleuten beaufsichtigt wurde. Da es der vierte schwere Vorfall innerhalb eines Jahres in der JVA Bochum war - und bei einem Flüchtigen sogar ein Nachschlüssel für die Zwischentüren gefunden wurde -, mag CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach „nicht mehr an Zufälle glauben“. Kutschaty versicherte, eine Expertenkommission werde nun die Anstalt „von links auf rechts krempeln“.