Bochum. .

Seit genau 170 Jahren wird Stahl geschmolzen in Bochum. Sollte mit dieser ehernen Tradition Schluss sein, eine Kunst verschwinden, die Jacob Mayer 1842 mit der Einrichtung seiner Gussstahlschmelze an der Chaussee nach Essen begründete und die das Landstädtchen Bochum für immer verändern sollte? Frank Klein kann das einfach nicht glauben.

Der 44-Jährige, dessen Vater und Großvater bereits bei Krupp unter den drei Ringen arbeiteten, ist sichtlich bewegt: „Ich kann mir das noch gar nicht vorstellen.“ Der Großvater lernte die Zeiten beim alten Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation kennen. Der gelernte Maurer war für feuerfeste Steine im Innern der Industrieöfen zuständig. Als Frank Kleins Vater 1965 als Walzenfahrer im Kaltwalzwerk auf Schicht ging, firmierte das Hüttenwerk unter Krupp. Wieder 20 Jahre später: Frank Klein begann die Ausbildung zum Verfahrenstechniker bei Krupp Stahl. Drei Generationen also.

Dabei ist Klein nahe dran, sitzt in Verhandlungskommissionen, kennt die Hintergründe, die Zusammenhänge, die heute das Geschäft mit Stahl, Edelstahl prägen. Er, der mittlerweile selbst seit 27 Jahren an der Essener Straße arbeitet, ist Betriebsratschef, zwei Jahren erst – und nun direkt die Feuertaufe. Am Mittwoch reiste er mit Vertrauensleuten nach Krefeld, um dort Einfluss zu nehmen auf die Verkaufsverhandlungen mit dem finnischen Konzern Outokumpu.

„Immer muss der Pott bluten“

Währen Klein eher ein Anhänger der leisen Worte ist, hauen die Vertrauensleute auf den Putz: „Schreiben Sie das mal ruhig: Immer muss der Pott bluten“, sagt Gökhan Yaman, der sei 20 Jahren in der Metallgießerei arbeitet. Sein Kollege Dennis Heimann, ebenfalls Vertrauensmann, ruft: „Es ist jetzt wichtig, dass wir alle zusammenstehen und uns hinter unseren Betriebsratsvorsitzenden stellen.“

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Frank Klein weiß um die Solidarität im Betrieb, der eine wechselvolle Geschichte hinter sich brachte. Abgebaut hatte Nirosta alleine in Bochum in den letzten Jahren mehr als 60 Arbeitsplätze. Dann gab es Signale aus Krefeld, da wo die Verwaltung sitzt, dass womöglich ein neuer UHP-Ofen nach Bochum kommen könnte. Da freuten sich die Gießer im Werk. Zu früh gejubelt, alles Schnee von gestern.

Schnitt in die triste Gegenwart: Erschöpft sich Frank Klein abends in seinem Pkw. Für den Dienstag ist der Marathon geschafft. Er ist auf dem Rückweg von Krefeld. „Die Finnen saßen mit am Tisch. Wir haben uns beschnuppert.“ Ergebnisse gab es keine an diesem Tag. „Wir wollen ein industrielles Konzept und sozialverträgliche Regelungen für unsere Betriebe“, klingt es schon ganz nach Gewerkschaftsredensarten.

Doch für ihn ist das emotional. Er erinnert sich: Damals vor drei Jahren wollte Vorstandschef Ekkehard Schulz Personal abbauen – als es schon einmal Spitz auf Knopf stand. Doch Berthold Beitz mit dem ganzen Gewicht der Krupp-Stiftung schaltete sich ein: Das Ergebnis ist bekannt. Mit der Essener Erklärung wurden betriebsbedingte Kündigungen noch einmal abgewendet.

Demo am Werkstor

Demo bei Thyssen Krupp Stahl zur Übernahme der Auszubildenden in die Stammbelegschaft. Fotos: Karl Gatzmanga / WAZ
Demo bei Thyssen Krupp Stahl zur Übernahme der Auszubildenden in die Stammbelegschaft. Fotos: Karl Gatzmanga / WAZ © WAZ
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Dr. Marc Schlette (IG Metall Bezirksleitung).
Dr. Marc Schlette (IG Metall Bezirksleitung). © WAZ
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Horst Luther (BR-Vorsitzender).
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Jugendvertreter Göksan Bezgen.
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