Bochum. . Nach Ansicht der meisten Fraktionsführer im Bochumer Rat ist Bundespräsident Christian Wulff im Amt nicht mehr zu halten und sollte die Konsequenzen ziehen. Nur CDU-Sprecher lehnen einen Rücktritt ab.

Sind die Tage von Christian Wulff als Bundespräsident gezählt? – Dieser Eindruck entsteht durchaus, wenn man sich in den sieben Bochumer Parteien umhört, die im Rat vertreten sind. „Er sollte zurücktreten und den Weg frei machen für einen vom ganzen Volk akzeptierten Bundespräsidenten“, sagte etwa FDP-Fraktionsvorsitzender Jens Lücking ohne Umschweife bei der WAZ-Umfrage.

Auf die Frage, wer als Nachfolger geeignet sei, fiel öfter der Name Norbert Lammert. Der Bundestagspräsident aus Bochum genießt in der Stadt Respekt und Ansehen quer durch viele Parteien.

Auf Wulff gemünzt, sagte SPD-Fraktionschef Heinz Dieter Fleskes: „Die Affäre hat jetzt so viele Facetten. Der Bundespräsident hat an der Stelle, wo er Aufklärung betreiben sollte, sehr zögerlich gehandelt. Er hat das Amt beschädigt mit seinem Verhalten, ich halte das für skandalös. Die richtige Konsequenz wäre, dass er sein Amt zur Verfügung stellt.“ Wer könnte sein Nachfolger werden? – „Norbert Lammert (CDU) wäre ein außerordentlich guter Kandidat, ein untadeliger Bundespräsident. Auch der damalige Kandidat Joachim Gauck wäre ein Kandidat.“

Sympathien für Lammert und Gauk

„Lammert wäre in der Lage, das Amt sachlich und menschlich auszufüllen“, findet auch Jens Lücking (FDP). „Aber ich hatte schon seinerzeit Sympathien für Gauck. Ein Mann mit großer Ausstrahlung, wie ich ihn beim Atrium-Talk bei den Stadtwerken erlebte.“

Eine gewisse Lanze für Wulff brach Klaus Franz, Fraktionschef der CDU: „Es ist besorgniserregend, dass dies immer noch die Meldung Nummer 1 in den Medien ist. Ich bin besorgt, dass das Kesseltreiben immer schlimmer wird. Dass er Fehler gemacht hatte, ist offensichtlich. Auch dass er nicht glücklich agiert hat.“ Auf die Frage nach einem denkbaren Nachfolger: „Der wohnt in Bochum. Lammert hat die nötige Souveränität. Der ist ganz anders aufgestellt, bei den persönlichen Dingen und bei seinem professionellen Umgang mit komplizierten Situationen.“ CDU-Fraktionsvize Roland Mitschke: „Ich bin der Meinung, er sollte nicht zurücktreten, aber alles offenlegen. Das ist ja ein Stück auch Kampagne. Ich bin sicher, er bleibt im Amt.“

Kritik am Verhalten von Christian Wulff

Uwe Vorberg, Fraktionschef der Linkspartei: „Ich finde das Verhalten von Herrn Wulff nicht angemessen. Wegen des Verdachts persönlicher Vorteilsannahme und wegen der Einschüchterung der Presse, das geht überhaupt nicht.“ Und? – „Ich mache keine Empfehlung, auf mich hört er sowieso nicht.“

Klaus-Peter Hülder, Fraktionsvorsitzender der UWG: „Ich sehe eine ganz ganz unglückliche Entwicklung. Das Amt nimmt Schaden. Rücktritt? – Dazu gebe ich keine Empfehlung, denke aber, dass es keine andere Lösung gibt. Sollte sich eine Mehrheit für Lammert finden, wäre ich darüber nicht traurig.“

Wolfgang Cordes, Fraktionschef der Grünen: „Lammert wäre ein guter Kandidat, ich schätze seine geistige Unabhängigkeit.“ Günter Gleising, Ratssprecher der Sozialen Liste: „Um seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, muss Wulff zurücktreten. Ich fände es gut, wenn man eine Frau als Kandidatin findet. Eine aus dem Bereich Gewerkschaften und Arbeiterbewegung.“