Berlin. . Bundespräsident Wulff erntet für seinen Anruf bei der „Bild“-Zeitung scharfe Kritik der Presse. Tenor der Kommentare: Wulff hat sich endgültig ins Abseits manövriert. Die Kritiker sparen nicht mit harten Worten: Der Bundespräsident wird als „dumm“ gegeißelt. Er sei „von allen guten Geistern verlassen“.

In der deutschen Presselandschaft schlägt Bundespräsident Christian Wulff ein rauer Wind entgegen. Quer durch alle Zeitungskommentare hagelte es am Dienstag heftige Kritik für seine versuchte Beeinflussung der Berichterstattung über seinen umstrittenen Privatkredit. Tenor: Wulff manövriert sich mit seiner mehrmaligen Betonung der Bedeutung der Pressefreiheit und dem unmittelbar vorangegangenen Versuch, die Veröffentlichung eines kritischen Artikels zu verhindern, endgültig ins Abseits.

„Ein Bundespräsident, der sich in dürren Worten zur Pressefreiheit bekennt, um sie in entscheidenden Momenten mit Füßen zu treten, erscheint in einer offenen Gesellschaft denkbar deplatziert“, kommentiert etwa der stellvertretende Chefredakteur der „Welt“, Ulf Poschardt. Das „Hamburger Abendblatt“ bezeichnet Wulffs Anruf bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann samt zugehöriger Mailbox-Nachricht als „Ungeheuerlichkeit“. Der Rechtsexperte der „Berliner Zeitung“, Christian Bommarius, spricht von einer Dummheit. Laut Berthold Kohler, Mit-Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, zeugen die nach außen gedrungenen Äußerungen Wulffs von „einem Staatsoberhaupt, das von allen guten Geistern verlassen worden ist.“

„Mischung aus Naivität und Dreistigkeit“

Wolfgang Krach, stellvertretender Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“, zeigt sich „bestürzt“ über „die Mischung aus Naivität und Dreistigkeit, mit der Wulff agiert hat“. Auch die „Financial Times Deutschland“ bewertet seinen Griff zum Telefon „irritierend“. „Aber dass er glaubt, damit etwas zu erreichen, ist beunruhigend. Und dass er sich auch noch erwischen ließ, indem er auf die Mailbox sprach, ist schlicht peinlich.“

Für die „Rhein-Zeitung“ offenbart Wulffs Vorgehen nicht nur eine kaum zu überbietende politische Dummheit, sondern auch „ein merkwürdiges Verständnis des Bundespräsidenten von der Rolle der Medien und der Pressefreiheit“. Die „Frankfurter Rundschau“ bezeichnet den Versuch, „die Arbeit einer Zeitung durch Druck auf die Führung des Hauses zu unterbinden“, als „unentschuldbar“. „Rechtlichkeit meint Redlichkeit. Von der aber versteht Wulff nichts“, heißt es in dem Blatt weiter. „Tagesspiegel“-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff erscheint es so, „als verlören sowohl das Amt als auch Wulff fortschreitend an Würde.“

Zweifel an Wulffs Eignung

Mit Blick auf das Krisenmanagement des Bundespräsidenten wächst bei den meisten Leitartiklern die Skepsis, ob Wulff seinem Amt noch länger gewachsen ist. Er „wirkt zu oft so, als würde er mit Learning by Doing das Amt des Staatsoberhauptes im Selbstversuch erproben“, kommentiert Poschardt von der „Welt“ weiter. Ähnlich sieht das auch Krach von der „SZ“: „Die Sicherungen, die bei einem Präsidenten im Falle einer - politischen wie privaten - Krise funktionieren sollten, funktionieren bei ihm nicht.“ Dem „Hamburger Abendblatt“ dient das Wulffsche Krisenmanagement inzwischen „als Beispiel, wie man eine kleine Affäre durch Tricksen, Vertuschen und Verschweigen in ein großes Scheitern verwandelt.“

Während der „General-Anzeiger“ bereits vom „Noch-Bundespräsidenten Christian Wulff“ spricht, hat die „Thüringer Allgemeine“ nur noch Mitleid für ihn übrig: „Er selber hatte die Geister gerufen, die ihn nun bedrängen. Er hatte der Bildzeitung exklusiv die Story über die Trennung von seiner Frau gegeben - im Handel für eine wohlwollende Berichterstattung. Auf den Handel pochte der Bundespräsident. Vergeblich. Deutschland ist eben stolz auf seine Pressefreiheit, aber nicht mehr stolz auf diesen Bundespräsidenten.“

Auch in Wulffs niedersächsischer Heimat schwindet die Rückendeckung. Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ fragt: „Hatte ein Bundespräsident es jemals nötig, erklären zu lassen, dass er die Pressefreiheit achte? Ein Fehler lag schon darin, den Chefredakteur von ‘Bild’ überhaupt nur anzurufen; so etwas tut ein Bundespräsident nicht. Ein zweiter Fehler lag darin, sich mit drohendem Ton auf einer Mobilbox zu verewigen. Zwar gehört immer eine zweite Stillosigkeit dazu, solche Dinge öffentlich zu machen. Doch die zweite Stillosigkeit macht die erste nicht besser.“ (dapd)