Bochum. Bochums Coach Andreas Bergmann kündigte im Gespräch mit dem WAZ-Leserbeirat an, bei einem Sieg gegen die Bayern als Weihnachtsmann durch die City zu fahren. Noch ein Grund mehr, dem VfL am Dienstag die Daumen zu drücken.
Sie freuen sich mit dem VfL Bochum und sie ärgern sich über ihn, wie tausende andere Menschen, denen etwas an diesem Klub liegt, auch. Die WAZ-Leserbeiräte Uwe Siebler und Udo Kunstmann sprachen mit dem Trainer des Zweitligisten, Andreas Bergmann, über sein Rollenverständnis, seine neue Umgebung und natürlich über die Perspektiven seiner Mannschaft. Michael Eckardt hat das Gespräch zusammengefasst.
Herr Bergmann, Sie wirken so normal und vernünftig. Sind Sie vielleicht zu lieb für die Bundesliga?
Andreas Bergmann: Das Eine schließt das Andere nicht aus. Woanders bin ich auch schon mal als ganz harter Hund tituliert worden. Ich habe einen tollen und exponierten Job, stehe aber grundsätzlich auf dem Standpunkt, dass man sich nicht zu wichtig nehmen sollte. Und eine gute Bodenständigkeit macht mich härter als eine gespielte Autorität. Sich nicht so wichtig zu nehmen bedeutet in meinen Augen kein Mangel an Selbstbewusstsein.
Sie sind noch nicht lange in Bochum, wie kommen Sie denn mit der Ruhrgebietsmentalität klar?
Bergmann: Gut, das Klare und Deutliche liegt mir eher als das Drumrum-Gerede. Ich dürfte übrigens, weil ich mitten in der Stadt wohne, der Bochumer Weihnachtsmarkt-Experte schlechthin sein.
Weihnachtsmarkt
Sie waren Trainer des FC St. Pauli, haben noch eine Wohnung in Hamburg und schwärmen von der Atmosphäre dort. Sollte der VfL so eine Art St. Pauli werden?
Bergmann: Nein, null, das will ich überhaupt nicht. Wenn ich über St. Pauli spreche, dann meine ich das im Vergleich zum HSV. Als Paulianer hast du nicht einen Millimeter Minderwertigkeitsgefühl gegenüber dem HSV, egal in welcher Liga der eigene Klub gerade spielt. Und zu den Fans hier: So schwierig finde ich das Publikum jetzt nicht. Ich spüre allerdings eine gehörige Portion Frust, und es ist unsere Aufgabe, den beiseite zu schieben. Außerdem: Nach einem Scheißspiel muss es auch eine Rückkoppelung geben. Es gibt ja Kritik, die berechtigt ist. Da kann man schon mal pfeifen. Aber dann ist auch gut. Man muss auch berücksichtigen, dass bei unseren jungen Spielern der Weg zwischen Superstar und Versager ganz kurz ist. Da muss man behutsam mit umgehen. Nebenbei bemerkt: Die Wahrnehmung des VfL außen ist wesentlich positiver als in Bochum. Das habe ich an vielen Reaktionen gemerkt, nachdem ich hier zugesagt hatte.
Sie sprechen gerne von der Entwicklung der Mannschaft. Ist denn eine stetige Entwicklung überhaupt möglich, wenn das Personal in Teilen wechselt?
Bergmann: Entwicklung muss sein, unabhängig von personellen Wechseln. Es geht um die Art, wie man Fußball spielen will. Außerdem will der Großteil der Spieler bei uns bleiben, und wir haben ja auch spannende Jungs dabei. Der Verein muss die richtige Philosophie finden und die Vergangenheit beenden. Wir müssen uns neu definieren.
Und neu aufstellen. Viele Verträge laufen im kommenden Sommer aus. Mit wem planen Sie?
Bergmann: Es ist noch ein bisschen früh, darauf eine Antwort zu geben. Es stellt sich ja auch die Frage, was finanziell leistbar ist, dieser Prozess läuft gerade. Es wäre zudem nicht fair den Spielern gegenüber, jetzt schon Signale zu setzen.
Werden Sie denn den Weg der Verjüngung weiter gehen?
Bergmann: Wir haben ein paar Talente, die ihre Chance bekommen sollen. Das hat sicher einen finanziellen Aspekt, ist aber auch wichtig für die Identifikation. Das Verhältnis muss allerdings stimmen.
Momentan ist der VfL im Mittelfeld der Tabelle angesiedelt. Wie steht es, ohne konkrete Zielsetzung, um die Motivation der Mannschaft?
Bergmann: Es gibt keine Ziellosigkeit. Im Profifußball machst du dreimal die Augen zu und die Saison ist vorbei. Das Spiel selbst muss eine Aufforderung sein.
Punkteteilung in Bochum
Demnach kann die Mannschaft die Leistung aus dem Spiel gegen Düsseldorf beim FSV Frankfurt wiederholen?
Bergmann: Dieses Spiel in Frankfurt wird super intensiv und wir können es vorher nicht simulieren. Aber wenn die Jungs wieder diese Konzentration hinkriegen, dann können wir die Leistung wiederholen. Wir wollen jedenfalls grundsätzlich weiter nach vorne spielen und unsere Partien entscheiden.
Das geht hin und wieder ziemlich daneben.
Bergmann: Ja, weil die Mannschaft noch unruhig und etwas instabil ist. Manchmal wirkt dann Mutlosigkeit auf die Zuschauer so, als ob die Spieler nicht wollten. Mit guten Spielen werden wir jedoch wachsen und uns stabilisieren. Wir bleiben jedenfalls bei unserer offensiven Ausrichtung, auch wenn wir mit weiteren Rückschlägen rechnen müssen.
Sie wirken rational und nüchtern. Haben sie gar keinen Talisman oder wenigstens eine kleine Marotte?
Bergmann: Ein ganz kleiner Aberglaube schlummert schon in mir. Es kann passieren, dass ich im Erfolgsfall bestimmte Abläufe nicht verändern möchte vor dem nächsten Spiel.
Trainer sprechen ja in der Regel nicht gerne über das übernächste Spiel, um die Konzentration nicht wegzulenken von der aktuellen Aufgabe. Aber es führt nun mal kein Weg an den Bayern vorbei. Was also machen Sie, sollten Sie im Pokal weiterkommen am Dienstag?
Bergmann: Dann fahre ich als Weihnachtsmann über den Dr.-Ruer-Platz.