Bochum. .

Michael Colsmann hat die Nase gestrichen voll. Seit kurzem hat er in seiner Mietwohnung eine Mauer vor Augen, wenn er zur Hofseite aus dem Fenster blickt. Colsmann nutzt das Erdgeschoss des Hauses Düppelstraße 22. Direkt nebenan wächst das Mehrgenerationenhaus der Matthias-Claudius-Stiftung heran.

Wohnqualität erheblich gemindert

Jene „Claudius-Höfe“ entstehen auf dem ehemaligen USB-Gelände und wollen Wohnen für 180 Menschen, für Behinderte und Nicht-Behinderte aller Generationen, verbinden mit Kleingewerbeansiedlung. „Das Projekt hat eine um drei bis vier Meter größere Bautiefe als der Altbau. Jetzt kommt kaum noch Licht herein, maximal eine Stunde lang pro Tag.“

Der Bochumer hat die Stiftung angeschrieben und sich darüber beklagt, dass für seine Wohnung und die darüberliegenden die Wohnqualität erheblich gemindert werde. Colsmann will ausziehen. „Ich fühle mich nicht mehr wohl hier.“ Er will die Stiftung auffordern, ihm als „Ausgleich“ eine adäquate neue Wohnung zu besorgen.

Licht weggenommen

Sein Vermieter Lothar Dettmer-Prause hat bereits gegen das Bauvorhaben geklagt, u.a. gegen die alleinige Erschließung über die Düppelstraße und gegen die geplante Gewerbenutzung mit Wäscherei, Gastronomie und Hotel innerhalb der Claudius-Höfe. „Ich bin abgeschmettert vor dem Verwaltungsgericht“, erklärt der Dortmunder, „es hieß, dies müsse die Nachbarschaft dulden“.

Dettmer-Prause habe nach eigenen Angaben nichts gegen das Mehrgenerationenhaus. Die Bautiefe des angrenzenden Projekts indes mutet auch ihm übertrieben an: „Die neue Front ragt in die Rückfassade hinein. Das Gericht hatte eine geschlossene Bauweise festgelegt; das nimmt der Westseite meines Hauses das Licht weg. Ich selbst habe erst gesehen, was geschieht, als die Mauern hochgezogen wurden.“ Er habe eine Baugenehmigung angefordert, sei nicht über das Vorhaben informiert worden.

Nicht alle reagieren euphorisch

Derweil sind die Wohnangebote des Mehrgenerationenhauses stark gefragt. Es sei nahezu alles vermietet, sagt Joachim Stahlschmidt, Geschäftsführer der Matthias-Claudius-Stiftung. Lediglich bei den Studentenapartments sei noch etwas frei. Stahlschmidt könne nachvollziehen, dass bei solch großen Bauvorhaben nicht alle euphorisch reagierten. „Es war lange eine Brachfläche mit unverstelltem Blick. Dass sie dauerhaft aber nicht frei bleibt, war doch schon mit der BKK-Bebauung absehbar.“

Die Bauvoranfrage sei vor vier Jahren gestellt worden. Da war auch die Tiefe des Wohngebäudes erkennbar. „Mit den Nachbarn wurden Gespräche geführt, es gab zudem eine Info-Veranstaltung, bei der wir unser Vorhaben erläuterten.“

"Für die Innenstadt nicht ungewöhnlich"

Das bestätigt auf Anfrage auch die Stadt: „In dem Bereich ist Grenzbebauung vorgegeben, die Tiefe war von vornherein so geplant, dort entsteht ein Innenhof, der zwar relativ dunkel wird, das ist aber für die Innenstadt nicht ungewöhnlich.

Da die Bautiefe in Ordnung ist, musste der Nachbar nicht beteiligt werden; dennoch haben wir dem Bauherrn geraten, sich aus guter Nachbarschaft mit dem Eigentümer Düppelstraße 22 zusammenzusetzen, was unseres Wissens auch erfolgt ist. Dieser müsste daher die Planung kennen“, so Pressesprecherin Barbara Gottschlich.