Bochum.
Die Stadtwerke-Kundin Cordula Zimmermann hat sich erfolgreich gegen eine unrechtmäßige Schätzung ihres Stromverbrauchs gewehrt. Der Energieversorger spricht von einem Einzelfall.
Der Energieversorger nennt es Kulanz. Für Cordula Zimmermann ist es ein „rechtlich unabdingbarer Rückzug“: Die Stadtwerke verzichten bei der Bochumerin auf die nachträgliche Zahlung der Stromrechnung. Grund: Die Abrechnung basierte auf einer Schätzung.
Zum Jahresbeginn hatte Cordula Zimmermann ihren Stromvertrag bei den Stadtwerken gekündigt. Zum 1. April wechselte sie zu RWE. Im Frühjahr lag die Schlussrechnung der Stadtwerke im Briefkasten: 204,78 Euro für die Monate Januar bis März.
Schätzung laut Gericht unzulässig
Die Bochumerin wurde stutzig. Einen Hinweis, den Zählerstand am 31. März selbst abzulesen, habe sie mit der Kündigungsbestätigung der Stadtwerke nicht erhalten. Ein Ableser war gleichfalls nicht im Haus. „Wie, bitteschön, kommen Sie zu den aufgeführten Zählerständen?“, fragte sie die Stadtwerke. Antwort: „Die haben wir geschätzt.“
Cordula Zimmermann, die als Rechtsanwältin in Düsseldorf tätig ist, recherchierte – und stieß auf ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Kleve aus dem Jahr 2006 (Aktenzeichen 5 S 185/2006). In einem ähnlichen Rechtsstreit wurde eine Stromabrechnung des örtlichen Versorgers als „fehlerhaft“ abgewiesen, weil der Verbrauch „lediglich geschätzt“ worden war. Dies, so das Gericht, ist unzulässig – es sei denn, der Kunde hat es zuvor trotz Aufforderung unterlassen, den Zählerstand selbst anzugeben oder dem Ableser den Zutritt verweigert.
„Beides war bei mir nicht der Fall“, legte Cordula Zimmermann Widerspruch ein. Mit Erfolg. Mit Schreiben vom 9. September zogen die Stadtwerke sowohl das angestrengte Mahnverfahren (Gebühr: 23 Euro) als auch ihre Schlussrechnung zurück. „Aufgrund der Geringfügigkeit der Forderung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, diese in Erlass zu stellen“, heißt es förmlich. „,Erlass’? Die Stadtwerke hatten nie einen Anspruch auf das Geld!“, entgegnet Cordula Zimmermann und mutmaßt: „Ich bin bestimmt nicht die Einzige, deren Verbrauch unrechtmäßig geschätzt wird.“
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Tatsächlich legen die Stadtwerke häufiger den Daumen an – allerdings nicht im Widerspruch zum Klever Urteil, wie Kundendienstleiter Paul Theune auf WAZ-Anfrage betont. Bei Cordula Zimmermann, die selbst gekündigt hatte, habe sich der Anbieterwechsel um einen Monat verzögert. Ein Hinweis auf eine Zählerablesung sei offenbar nicht erfolgt. „In diesem Einzelfall“, so Theune, „verzichten wir daher aus Kulanz auf unsere Forderung.“
Wer sich nicht meldet, wird geschätzt
Im Normalfall gehe ein Anbieterwechsel ohne Schätzung einher. „Fast alle Noch-Kunden reagieren auf unser schriftliche Bitte, uns den Zählerstand am Stichtag mitzuteilen. Auch bei Wohnungswechseln klappt das in aller Regel reibungslos. Nur wenn der Kunde gar nicht reagiert oder der Ableser keinen Einlass findet, wird der Verbrauch anhand der letzten Daten geschätzt.“ Ganz so also, wie es das Klever Urteil besagt, meint Theune.
Wird der Rechtsprechung auch bei einer Tariferhöhung mitten im Jahr Genüge getan? „Ja“, erklärt der Kundendienstchef. „Natürlich können wir nicht sämtliche 220 000 Strom- und 85 000 Gaszähler ablesen. Sowohl in den Tarif-Veröffentlichungen in der Zeitung als auch im Internet bitten wir daher darum, uns die Zählerstände zu übermitteln.“ Wie viele Kunden davon Gebrauch machen, teilen die Stadtwerke nicht mit. Sicher ist: Wer sich nicht meldet, wird bis zum Stichtag (letzter Tag der alten Tarife) geschätzt.
Derweil erkennt Paul Theune ein Ende des Zähl-Zeitalters. Nach dem seit 2010 noch verhaltenen Beginn soll 2012 die flächendeckende Installation von digitalen Zählern starten. Damit können die Stadtwerke die jeweils aktuellen Stände am PC ablesen.
Cordula Zimmermann wird’s recht sein.