Bochum.

Bei einem großen menschlichen und kriminellen Drama in Wattenscheid hatte ein 25-jähriger Brandstifter viele Menschen töten wollen. Am Freitag wurde er unbefristet in eine geschlossene Spezialpsychiatrie eingewiesen.

Täter ist schuldunfähig

„Er war besessen, Menschen zu verletzen beziehungsweise zu töten.“ Das sagte am Freitag Oberstaatsanwalt Jochen Kodal über einen angeklagten Brandstifter (25), der bei zwei Wahnsinnstaten beinahe viele Menschen in einen Flammentod gestürzt hätte. Das Schwurgericht konnte ihn wegen dieses versuchten Mordes aber nicht bestrafen, weil er schwer borderlinegestört und schuldunfähig ist.

Deshalb erging ein Freispruch. Allerdings wiesen die Richter ihn auf unbestimmte Zeit in eine geschlossene Spezialpsychiatrie ein, weil er weiterhin allgemeingefährlich ist. Dort wird er viele Jahre bleiben. Der Täter will das selbst so: „Ich weiß, dass ich eine Therapie brauche.“

Feuer rechtzeitig entdeckt

Am 5. Januar 2011 hatte sich ein großes menschliches und kriminelles Drama abgespielt. Der schwergewichtige Angekagte, ein langzeitarbeitsloser Verkäufer, hatte wieder einmal Zwangsideen. Er wollte Menschen umbringen. Um 3 Uhr nachts kippte er in seinem Schlafzimmer in einem Acht-Parteien-Altbau in Wattenscheid fünf Liter Spiritus aus und zündete es an. Es kam zu einer Verpuffung. Außerdem drehte er zwei mobile Herdplatten an. Im Treppenhaus, am Fuße der Holztreppe, Parterre, drehte er einen Gaskocher auf und entzündete ihn.

Einige Zeit später stand die Treppe in Flammen. Ein Nachbar entdeckte das Feuer und klingelte alle Mitbewohner aus den Betten. Er löschte den Brand. Der Täter rief unterdessen selbst die Feuerwehr, anonym per Handy, von der Straße aus, und türmte. Als die Treppe wieder gelöscht war, rückten die Retter aber wieder ab. Was sie nicht wussten: Im zweiten Stock, in der Wohnung des Täters, kokelte es lebensgefährlich weiter.

„Er verspürte Wutgefühle, weil er es nicht geschafft hatte, Menschen zu töten“

Der 25-Jährige streifte danach durch Wattenscheid. „Er verspürte Hass und Wutgefühle. Wutgefühle, weil er es nicht geschafft hatte, Menschen zu töten“, wie Ankläger Kodal sagte. Der Angeklagte ging dann zum „Kaufland“ im Gertrudiscenter, um dort zu töten. Kurz nach 7 Uhr betrat er eine Drogerieabteilung, kippte eine Brennspiritusflasche aus dem Regal mit vielen entzündlichen Artikeln um und zündete sie mit einem Streichholz an. Die Flüssigkeit explodierte sofort. Im Laden waren 28 Mitarbeiter und Kunden. Sofort versuchten sie, alles zu löschen, bis die Feuerwehr kam. Die Sprinkleranlage ging an. Niemand wurde verletzt. Der Schaden betrug aber 200.000 Euro.

Oberstaatsanwalt Jochen Kodal. Foto Thomas Schild / WAZ FotoPool
Oberstaatsanwalt Jochen Kodal. Foto Thomas Schild / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Ziellos irrte der Brandstifter in der Stadt umher. Mit der Bahn fuhr er nach Bochum-Mitte. Am Vormittag stellte er sich der Polizei und bat um seine Festnahme: Wenn ihn seine Mordgedanken wieder überfluten würden, fürchtete er, erneut töten zu wollen. Auf der Wache erzählte er dann auch, dass er auch seine Wohnung in Brand angesteckt habe. Sofort raste die Feuerwehr los. Als sie die Tür öffnete, verwandelte sich der Schwelbrand durch den Sauerstoffzustrom sofort in ein offenes Feuer. Die Retter löschten alles. Sachschaden: rund 16.000 Euro.

„Ich mache Dinge, die sind ganz schrecklich“

Seit diesem Tag sitzt der Täter in der Psychiatrie. Er war, wie Kodal ausführte, in „desolaten und bemitleidenswerten“ Umständen aufgewachsen. In Heimen und Pflegefamilien. Wegen Stuhlinkontinenz wurde er in der Schule gehänselt und gemobbt. Fresssucht, Depressionen, Zwänge und massive Selbstverletzungen waren seine ständigen Peiniger. „Er hat nie ein richtiges Zuhause gehabt, nie Liebe, Zuneigung und Geborgenheit.“ Mehrfach musste er in die Psychiatrie. Auch wegen Suizidversuchen.

Er weiß selbst um sein Elend. Sein Verteidiger Egbert Schenkel zitierte ihn so: „Ich möchte untergebracht werden. Ich mache Dinge, die sind ganz schrecklich.“ Sein Mandant selbst sagte: „Ich möchte mich aufrichtig entschuldigen.“