Bochum. .

Am Wochenende ging das Impulse-Festival zu Ende -- herausragende Off-Theater-Produktionen hatten sich in den vergangenen zwei Wochen vorgestellt. Licht und Schatten waren zu besichtigen.

Ein subjektiver Blick zurück auf die Bochumer Vorstellungen.

Andros Zins-Browne: „The Host“
Im Prinz Regent Theater machte sich der US-Choreograph Zins-Browne auf die Suche nach den letzten Cowboys. Als harte Männer aus der Prärie versuchten sich drei Schauspieler ‘ne gute Stunde lang daran, eine Landschaft aus sich blähenden und schwankenden gigantischen Luftkissen zu besiegen: sie kletterten, ritten, kämpften mit der kaum zu bändigen Materie, räumten am Ende alles weg, fingen an zu tanzen, bevor der schaukelnde Spuk aufs Neue anhob . . . Das Ganze sollte eine Metapher auf die Überlegenheit der Natur über den sie ausbeutenden Menschen sein. Tatsächlich war diese physische Performance in Ansatz und Dramaturgie vielleicht nicht der komplette Unsinn, aber viel fehlte nicht.

She She Pop: „Testament“
Die herausragende Produktion des Festivals. Keine Überraschung, war das Stück ja zum Theatertreffen in Berlin nominiert. Die Art und Weise, wie das Kollektiv She She Pop zusammen mit ihren realen Vätern die Generationenfrage auf die Bühne brachte, riss die Zuschauer von den Sitzen. Mit Humor und einer an Selbstentblößung grenzender Offenheit werden in „Testament“ abstrakte Fragen und konkrete Problem miteinander verwoben. Dabei werden quasi nebenbei noch Felder wie die Kategorie Authentizität auf der Bühne und Shakespeares „Lear“ bespielt. Großartig!

Rabtaldirndln: „Aufplatzen“
Der Heimatabend unter den Produktionen. Die drei Darstellerinnen verlangen nach Klapsen auf den Lederhosen-Oarsch, servieren dabei Schnaps und deftige Wurst mit Kren. Dazu zeigen sie einen Dia-Abend über ihre fingierte Heimat in der österreichischen Ost-Steiermark. Die Zuschauer finden sich wieder in einer Horror-Heurigenwirtschaft, die den Terror der Provinz langsam aber sicher steigert. Die brutale Gastfreundschaft der vermeintlichen Dirndln, die singen, servieren und drohen, erzeugt eine besondere Atmosphäre. Hintergründig-böse Provinzsatire, die den Geist eines Werner Schwab atmet, aber weder über dessen Sprache verfügt noch dessen dramaturgische Wucht hat.

HGich.T: „Endzeit 2“
Es war in der Rotunde schon weit nach Mitternacht als das Hamburger Kollektiv HGich.T die psychedelische Bühne enterte. Alles an ihnen schien schlechter Geschmack zu sein. Fluoreszierende Malereien, dumpfe Beats, schlechter Mikrofonklang, der Zeremonienmeister rempelte sich, scheinbar dämlichste Slogans rufend mit offener Hose durch das Publikum, das zum großen Teil selbst aussah, als hätte es etwas zu viel Chemie konsumiert. Doch diesem ganzen (vermutlich, ja: hoffentlich inszenierten) Chaos könnte man bei gutem Willen in eine Traditionslinie der Avantgarde stellen, die vom Cabaret Voltaire in der Zürcher Spiegelgasse 1916 über die Wiener Gruppe bis zu Wenzel Storch und Schlingensief reicht, und die ihre theatralisch dargebrachte Sinn- und Sprachzertrümmerung immer auch politisch kommentierend verstand.