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Ein Kinderhotel soll es nun auch in Essen-Rüttenscheid geben, wo besonders viele berufstätige Elternpaare leben. Stimmt das Klischee, das Hotel sei für Rabenmütter, die nur feiern gehen wollen?

Es ist ein Klischee, das so alt ist wie deutsch: Das sei etwas für Rabenmütter, die nur feiern gehen wollten. Auch die Erzieherinnen Claudia und Hanne Schmidt bekamen diesen Vorwurf zu hören, als sie vor sechs Jahren ihren Kinderhafen eröffneten, die Kindertagesstätte in einer alten Villa in Hamburg-Alsterdorf, die Tag und Nacht geöffnet hat, eben rund um die Uhr. Inzwischen gibt es dort nicht nur einen Kinderhafen, sondern drei, und vielerorts in Deutschland entstehen ähnliche Häuser.

Im Stadtteil Rüttenscheid, wo besonders viele berufstätige Elternpaare leben, will die Essener Arbeiterwohlfahrt den Versuch wagen. Mit einem Kinderhotel, das von morgens 7 Uhr bis abends um 21 Uhr geöffnet hat und am Wochenende sogar 24 Stunden am Tag, will sie dem Bedürfnis von Eltern nach flexibleren Betreuungszeiten nachkommen.

Das ist die alleinerziehende Mutter, die am Wochenende an einer Fortbildung teilnehmen muss. Das könnte das Architekten-Paar sein, das in der Endphase eines Projektes flexibel reagieren muss. In der ehemaligen Giradet-Druckerei, in der sich schon seit 17 Jahren eine Awo-Kindertagesstätte mit großzügigem Dachgarten befindet, richtet die Awo nun das kleine Hotel mit Schlafmöglichkeiten für fünf Kinder ein. Zwei Räume, eine Küche, ein Bad, ein hölzernes Kletterhaus, darunter winzige Betten und Matratzen.

In Berlin und Hamburg längst etabliert

„Den Unternehmen ist durchaus bewusst, dass sie etwas tun müssen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Wir bieten ihnen Kontingente an, die sie ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen können“, sagt Annette Schnitzler, die Prokuristin der Essener Awo-Kindertagesstätten.

In Berlin oder in Hamburg ist das längst Realität. „Viele Frauen, die ihre Kinder zu uns bringen, sind späte Mütter, die voll im Berufsleben stehen und sich auch keine lange Elternzeit erlauben können“, sagt Claudia Schmidt vom Kinderhafen. Gerade in Hamburg mit den vielen Medien- und Musikschaffenden gebe es einen großen Bedarf an Flexibilität und späten Öffnungszeiten. Selten würden die Übernachtungsangebote für private Anlässe genutzt. Schmidt: „Meist geht es darum, dass die Mutter drei Tage auf einer Dienstreise ist, der Vater jedoch nur zwei davon abdecken kann“.

Zudem kooperiert der Kinderhafen eng mit der Hamburger Polizei und der Feuerwehr. „Wenn deren Mitarbeiter zu Großeinsätzen wie etwa dem G 8-Gipfel müssen, können wir die Kinder aufnehmen“, sagt Claudia Schmidt.

Ergänzung zur klassischen Kita

Das Essener Kinderhotel versteht sich als Ergänzung zu den klassischen Kitas, die immer noch meist um 17 Uhr ihre Türen schließen, die von der geregelten Fünf-Tage-Woche nicht abweichen mögen und natürlich auch dann Betriebsferien machen, wenn Eltern gerade keinen Urlaub nehmen können.

Noch hat das Hotel nicht eröffnet, aber Britta Plötz-Schmidt, die Erzieherin und Chefin des Hauses, wird schon auf das Angebot angesprochen. Etwa von den Betreibern des Hotels nebenan, in dem häufig Messe-Mitarbeiter wohnen, die sich bislang vergeblich nach kurzfristigen Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder erkundigt haben.

Es ist ein Versuch. Wie er ankommt in Essen, bleibt abzuwarten. Auch ob das Übernachtungsangebot ähnlich wie in Hamburg oder Berlin auf Wochentage ausgedehnt wird. Im Kinderhotel will man möglichst flexibel bleiben, ein späterer Ausbau, räumlich wie personell, ist nicht ausgeschlossen. Zurzeit baut Britta Plötz-Schmidt einen Pool von Erzieherinnen auf, die kurzfristig einsatzbereit sind: „Auch bei den Erzieherinnen kommen die Arbeitszeiten gut an. Sie lassen sich gut mit eigenen Kindern vereinbaren.“

In Hamburg hat sich die Rabenmutter-Diskussion übrigens schnell erledigt. Ganz von selbst.