Was passiert mit Idealen in den Mühlen der Realpolitik? Das ist eine der Fragen, die Regisseur Roger Vontobel an das Stück „Die Jungfrau von Orleans“ von Friedrich Schiller stellt. Es sei gleichzeitig ein Versuch, sich nicht nur dem Mythos „Johanna“ zu nähern, sondern auch der historischen Figur, der Frau. Dazu habe Vontobel als Material die historischen Prozessakten herangezogen und der von Schiller intendierten romantischen Tragödie eine Art Rahmenhandlung angedeihen lassen. „Aber der Text wird immer noch zu 90 Prozent Schiller sein“.
Zentral wird dabei die Frage sein, wer (oder was) diese Johanna denn nun war. Ein einfaches Bauernmädchen, eine Hexe, eine Märtyrerin, eine Amazone, eine Gotteskriegerin, gar eine Heilige oder doch nur eine Hochstaplerin? Wie kann man das alles sein, ohne schizophren oder wahnsinnig zu werden? Eine Antwort darauf wäre, dass sie alles sein kann, jedenfalls insoweit, wie die Mächtigen der Welt sie jeweils nach ihren ureigenen Interessen dazu machen - sie quasi inszenieren. „Die Inszenierung ist Teil der Inszenierung“, sagt Vontobel. Und die Frage, wie denn eine Johanna persönlich damit klarkomme, was sie da so tut, aus Glauben und Idealismus heraus: Töten und Krieg führen.
Machtstrukturen offenlegen
Sehr aktuell sei dieser Betrachtungsansatz auch mit Blick darauf, dass auch heute noch - vor allem in Politik, Unterhaltungsbranche und Medien - Figuren, besser Menschen, mit Bedeutung aufgeladen, aufgebaut und benutzt, dann bei Bedarf aber genauso schnell wieder verbrannt und entsorgt werden. Eine nahe an diesem - Machtstrukturen offenlegenden - Ansatz gelagerte Frage ist dann die: „Wie viel Politik steckt in Idealismus und wie viel Idealismus in der Politik?“
Das Mädchen, dem eine göttliche Stimme befiehlt, Frankreich von den englischen Invasoren zu befreien, das auf diese Stimme hört, daran glaubt, und in den Krieg zieht, spielt Lena Schwarz. Sie sprang sehr kurzfristig für die verletzte Barbara Hirt ein. Schwarz war lange im Bochumer Ensemble, ihre letzten großen Rollen waren die Penthesilea und Lady Macbeth.
Eine außergewöhnliche Schauspielerin
Durch sie hätten sich Sichtweisen und Konstellationen verändert, sagt der Regisseur, nicht aber das Konzept. Die Innenschau werde mit ihr noch mehr zum Ansatzpunkt, so der Schweizer Theatermacher. Trotz der extrem kurzen Probenzeit mit der neuen Hauptdarstellerin handele es sich aber keinesfalls um eine „Notlösung“. Die Geschwindigkeit, mit der das achtköpfige Ensemble die Personaländerung verkrafte, sei möglich dadurch, dass sie sich schon aus Vontobels „Labdakiden“-Inszenierung kennen würden. Und auch, weil Lena Schwarz eine „außergewöhnliche Schauspielerin“ sei, die damit eine „außergewöhnliche Leistung“ vollbringe.
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