Bochum. . „Die Mehrheit hat resigniert. Ich nicht“, sagt Katrin Lorenz-Wehmeyer und will sich bei der Arbeitssuche nicht unterkriegen lassen.

Mit 42 am Abgrund? Kann nicht sein. Darf nicht sein. Wird nicht sein. Katrin Lorenz-Wehmeyer macht sich Mut, weiß um ihr Können und ihre Qualifikationen, will sich nicht unterkriegen lassen – und hat wie so viele Mittelklässler im Wohlstandsland Deutschland doch bitterböse Angst vor dem Absturz.

Hartz IV droht. Für Katrin Lorenz-Wehmeyer die Endstation Sehnsucht. Niemals hätte sie gedacht, einmal vor dem Nichts zu stehen. Klug, hübsch, eloquent: Zu umfassend, zu erfolgversprechend erschien ihr bisheriger Werdegang. 1985 Ausbildung zur Wirtschaftskorrespondentin in Englisch und Französisch, 1987 Ausbildung zur Industriekauffrau, bis 2002 in verantwortlicher Position bei Steilmann, berufsbegleitendes Studium zur Produktmanagerin, bis 2009 anspruchsvolle und gut bezahlte Vertriebsjobs bei einer Sonnenstudiokette und dem Bürobedarfshersteller Herlitz: Beruflich lief’s wie geschmiert. Der Sohn (heute 18) und die Tochter (13) waren trotz Mutters Doppelbelastung stets gut versorgt.

Umzug war ausgeschlossen

2009 der Schnitt. Der befristete Vertrag bei Herlitz wurde mitten in der Wirtschaftskrise nicht verlängert. „Ich hatte zwar neue Angebote. Doch dafür müsste ich umziehen. Mein Sohn steht vor dem Abi. Das kann ich nicht verantworten. Anderen interessierten Firmen waren meine Gehaltsvorstellungen zu hoch. Häufig hatte ich zudem den Eindruck, dass ich mit 42 zu ,alt’ bin“, sagt die Wattenscheiderin.

Im Herbst 2009 musste sie sich erstmals in ihrem Leben arbeitslos melden. Mit Unterstützung der Arbeitsagentur, die einen Gründungszuschuss gewährte, machte sie sich als Vertriebs- und Marketingberaterin selbstständig. Die Geschäfte laufen nicht eben rosig. „Die Branche ist komplett männerdominiert. Ich als Frau habe da trotz meiner Erfahrungen einen verdammt harten Stand und kein Geld für mein eigenes Marketing.“ Der Gründungszuschuss ist im März ausgelaufen.

An der Selbstständigkeit festhalten

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© WAZ

Doch Katrin Lorenz-Wehmeyer will unbedingt an ihrer Selbstständigkeit festhalten. „Erstens: Ich glaube, dass meine Dienstleistung am Markt gefragt ist. Zweitens: Wenn es gelingen soll, wieder eine angestellte Tätigkeit zu finden, dann nur, wenn ,selbstständig’ statt ,Hartz IV’ in meiner Bewerbung steht. Drittens: Ich ziehe es vor, ohne staatliche Hilfe mein Leben zu meistern. Viertens: Ich möchte meine Wohnung behalten.“

Gleichwohl: Katrin Lorenz-Wehmeyer ist aktuell „sponsered by Papa“. Der Anspruch auf das Arbeitslosengeld ist aufgebraucht. „Wohl oder übel“ muss sie alsbald dorthin, wo sie nie hin wollte: zum Jobcenter Bochum.

Jobcenter Bochum unterstützt Selbstständigkeit

Dessen Sprecher Johannes Rohleder kann ihr immerhin eine Sorge nehmen: „Selbstverständlich ist es möglich und sogar ausdrücklich erwünscht, dass sie ihre Selbstständigkeit im Leistungsbezug fortführt und so versucht, ihren Bedarf zumindest zum Teil aus eigener Kraft zu decken. Dafür halten wir an der Universitätsstraße ein eigenes Selbstständigen-Team bereit, das diesen Kunden mit Rat und Tat hilft.“

Für Katrin Lorenz-Wehmeyer ist das eine Art von Beruhigung. Sie will dennoch weiter kämpfen, um Hartz IV kurzfristig doch noch zu verhindern bzw. schnellstens zu verlassen. „Die Mehrheit der Betroffenen hat resigniert. Ich noch nicht!“