Bochum. . In Bochum waren im vergangenen Jahr 556 Minderjährige von 922 Ehetrennungen betroffen. Im Jahr zuvor waren es noch 402 Kinder. Das ist der höchste Anstieg der minderjährigen Scheidungskinder in Nordrhein-Westfalen.

Die gute Nachricht: In Bochum hat es zuletzt etwas weniger Scheidungen gegeben - 922 waren es im vorigen Jahr. Die schlechte Nachricht: Gleichzeitig ist die Anzahl der minderjährigen Scheidungskinder so stark angestiegen wie in keiner anderen Stadt in NRW. Im Jahr 2010 waren nach Auskunft des Landes NRW 556 Kinder betroffen - ein Zuwachs von über 38 Prozent im Vorjahresvergleich.

„Scheidung ist ein Belastungsfaktor“, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Andreas Richterich, Chefarzt im Helios St. Josef-Hospital, auf WAZ-Anfrage. Daraus könnten oft emotionale Probleme, teils auch Verhaltensprobleme in der Schule entstehen. Den Eltern rät er: „Auch wenn das Paar nicht mehr existiert, bleiben die Eltern in der Verpflichtung der Elternrolle. Das gelingt unterschiedlich. Je besser es gelingt, die Elternfunktion beizubehalten, umso leichter ist es für das Kind.“

„Wenn der Krieg der Eltern auf dem Rücken des Kindes ausgetragen wird, ist es schlecht“

Auch nach einer Scheidung sollten Eltern eine klare Kommunikation führen und Verabredungen einhalten. „Sie dürfen so sauer aufeinander sein wie sie wollen, wenn es aber um das Kind geht, sollten sie ruhig und vernünftig das machen, was sie vorher auch für ihr Kind getan gemacht haben. Wenn der Krieg der Eltern auf dem Rücken des Kindes ausgetragen wird, ist es schlecht.“ Allerdings betont er: „Auch wir erleben es, dass es vielen Eltern gut gelingt, trotz Trennung den Kindern Stärke und Sicherheit zu geben.“

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Von Bernd Kiesewetter

Dagmar Jäger, Leiterin der städtischen Erziehungsberatungsstelle im Wattenscheider Rathaus, sagt, dass eine Scheidung „in jedem Fall“ erst einmal ein „Schock“ für die Kinder sei. Zwischen Vater und Mutter gingen sie manchmal „von einer Welt in die andere“. Auch die Eltern hätten es aber schwer: „Die Schwierigkeit ist, die eigene emotionale Ebene soweit zu klären, um offen zu sein auch für die emotionale Ebene des Kindes.“

Scheidungsanwalt Jürgen Widder, Vorsitzender des Bochumer Anwaltvereins, berichtet, dass einige Kinder instrumentalisiert würden zwischen zwei „Machtpositionen“: Der Vater habe meist die besseren Wirtschaftsmittel, die Mutter hingegen die Betreuung für das Kind. Ein potenzielles Streitthema sei da das Besuchsrecht.

Die mit Abstand meisten Ehen in Bochum gingen in den vergangenen Jahren zwischen dem fünften und zehnten Ehejahr zu Bruch. Widder stellt dabei einen Unterschied zwischen der jüngeren und älteren Generation fest. Die jüngere sage: Okay, das war es dann, ich fange neu an, aber nicht mit diesem Partner. Die ältere Generation neige dazu, die Streitigkeiten zu überwinden. Den Hauptgrund für die Trennungen sieht er darin, dass die Partner ihre eigenen „Zielvorstellungen“ nicht umgesetzt hätten. Vorfälle wie Fremdgehen seien eher „nur die Folge als der Beginn des Problems“.