Bochum. Hypnose als Antwort auf chronische Schmerzen - eine bisher wenig verbreitete Medizin-Technik. Hausarzt Dr. Jörg Vogt bietet diese Behandlung an. Dabei macht sich der Mediziner natürliche Trancezustände zunutze.

„Schau auf die Linien in der Hand.“ Dr. Jörg Vogt senkt seine Stimme. Toni Hohns atmet tiefer, ihr Blick wird glasig, die Augen schließen sich. „Und schlaf“, flüstert der Doktor. Nach einer halben Minute ist seine Patientin weit, weit weg, tief entspannt. Hypnose beim Hausarzt: noch selten, nach Auffassung der Ärztekammer Westfalen-Lippe aber „alles andere als Quacksalberei“.

„Unter den Allgemeinmedizinern in Bochum bin ich ein Exot“, weiß Dr. Jörg Vogt (54). Seit zehn Jahren wendet er Hypnose-Techniken an. Sein Handwerk erlernte er bei einer 240-stündigen Ausbildung an einem Fachinstitut in Mainz.

"Hypnose kann Heilung beschleunigen"

Die Reise ins Unterbewusstsein ist keine Zauberei, sondern Alltag. „Viele Autofahrer, die täglich den gleichen Weg fahren, oder Kino-Besucher kennen diesen Zustand. Ohne zu schlafen, ist man für kurze Zeit wie weggetreten“, erklärt Dr. Vogt. Die medizinische Hypnose mache sich diese Trance zunutze, um „vom Bewusstsein nicht gesteuerte Funktionen in eine gewünschte Richtung zu verändern. Puls und Durchblutung, Kälte und Wärme, Muskulatur, Verdauung oder Schmerzempfinden können beeinflusst werden“.

Die Kräfte der Hypnose, so Dr. Vogt, wirkten weit über die Psychotherapie hinaus. „So lange ein Bein gebrochen ist, kann die Hypnose nicht laufend machen. Aber: Sie kann die Heilung beschleunigen.“

Beklemmungen längst verloren

Toni Hohns schwört darauf. Viele Jahre hat sie in der Kantine der Stadtverwaltung gearbeitet. Als Rentnerin bereiten ihr Wirbelsäulenschäden große Schmerzen. Als ihr Hausarzt Dr. Vogt eine Behandlung unter Hypnose vorschlug, war die Bochumerin zunächst skeptisch. „Die Angst vor dem vermeintlichen Kontrollverlust war groß.“ Längst hat die 66-Jährige die Beklemmungen verloren. Um ihre Schmerzen zu lindern, lässt sie sich von Dr. Vogt regelmäßig in Hypnose versetzen. „Falsch“, korrigiert der Mediziner. „Die Patienten selbst sind es, die den Zustand bewirken. Ich begleite sie nur und bringe sie zu diesem Ziel.“

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Erneut sind es Schulterbeschwerden, die Toni Hohns in die Praxis an der Yorckstraße führen. Sie kann den rechten Arm nur auf Kopfhöhe anheben. „Jeder Zentimeter mehr ist die Hölle.“ Dr. Vogt schreitet zur Tat. Wie immer klappt Toni Hohns binnen Sekunden „weg wie ein Taschenmesser“. Mit ruhigen, sanften Worten suggeriert der Arzt: Heilung in Sicht, alles nicht so schlimm.

Nach drei Minuten zählt er rückwärts von 10 bis 1. Toni Hohns ist hellwach. Ihre Schmerzwahrnehmung ist wie gewünscht verändert worden. Problemlos kann sie den Arm in die Höhe strecken. „Wir haben die Schmerzerwartung überlistet“, sagt Dr. Vogt und verheißt, dass dieser Zustand lange andauern wird. Seine Patientin hat an die Hypnose wie immer keine Erinnerung. Aber: „Jeder Tag ohne Tabletten ist für mich ein gutes Tag.“ Für die ca. 15-minütige Behandlung greife sie daher gerne in die Geldbörse. Die Krankenkasse zahlen für die Trance-Therapie keinen Cent.

Klappt Hypnose bei jedem Patienten? „Nein“, macht der Hausarzt drei Gruppen aus: Ein Drittel sei – auch wegen des Leidensdrucks – hoch empfänglich, ein Drittel normal beeinflussbar, ein Drittel nicht oder nur schwer zu gewinnen. Eine Urangst kann der Mediziner allen Hypnose-Patienten nehmen: „Jeder wacht wieder auf. Die ärgste Nebenwirkung ist ein Hypnose-Kater. Heißt: Kopfweh.“